Wenn es zum Streit mit dem Versicherer kommt, verstecken sich Vermittler und Kunden zu oft hinter Urteilen des Obersten Gerichtshofes (OGH). Warum sich das ändern sollte, erklärt Gerhard Kofler, Autor, Schadenberater und Haftpflichtexperte.

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 06.06.2018
Von Gerhard Kofler
Seit Jahren bemerke ich den Trend, die Plattform zur Lösung von Deckungsproblemen immer mehr den Gerichten zuzuschieben. Das klingt recht einfach, ist in der Praxis aber häufig ein Schuss nach hinten. Es gibt mittlerweile zu viele OGH-Urteile, mit deren Inhalten und Entscheidungen so mancher gar nicht gerechnet hätte. Die Spielwiese ist daher größer geworden, auch für den Versicherer, der die Vorlage eines OGH-Urteils häufig mit den Worten quittiert, dieses Urteil sei auf den konkret vorliegenden Fall nicht anwendbar. Also wieder zurück an den Start.
OGH-Urteil als „Schutzschild“
Thema verfehlt. Wir haben den Kunden vergessen. Ich gehe nicht davon aus, dass OGH-Urteile zur Nachtlektüre eines Versicherungskunden gehören, dennoch versteckt man sich gerne hinter solchen Urteilen und verwendet diese praktisch wie ein Schutzschild oder eine Angriffswaffe. „Man“ heißt Versicherer wie auch Versicherungsmakler. Es ist doch viel besser, Ideen zu haben, die einen Streit oder eine differenzierte Meinung zu einer Deckungsfrage lösen bzw. welche möglichst dazu beitragen könnten.
Gerade in dieser Phase kann ein OGH-Urteil durchaus etwas Rückenwind bescheren, aber Vorsicht, ein solches Urteil muss auch gelesen werden. Manche Nebenbemerkungen in den Urteilen können zu völlig anderen Ergebnissen führen, wenn es darum geht, einen mehr oder weniger vergleichbaren Fall daran festmachen zu wollen.
Klarheit vermeidet falsche Hoffnungen
Ich setze vielmehr darauf, dass der Versicherungsmakler verständlich und plausibel eine Deckungsfrage mit seinem Kunden so kommuniziert, dass der Kunde durch den Versicherungsdschungel getragen wird, ohne mit OGH-Urteilen beschwert zu werden, welche nicht selten eine Erwartungshaltung im Anlassfall suggerieren, die dann nach zwei oder drei Jahren nicht erfüllt wird. Meine Erfahrung ist, dass auch bei gewonnenen Gerichtsverfahren ein verlorener Kunde dahinter steht.
Abrüstung ist angesagt, also raus mit den OGH-Urteilen aus dem Aktenkoffer und rein mit guten Ideen und auch Klarstellungen – die ich übrigens immer mehr schätze –, die für den Kunden sowieso viel wertvoller sind als Urteile zu konkreten Fällen aus der Vergangenheit.
Ich möchte an dieser Stelle nicht hintanhalten, dass es Fälle geben wird, die eine OGH-Entscheidung zur Klärung der Rechtslage erfordern, und das ist auch gut so.
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