Die IDD will den Konsumentenschutz verbessern. Doch hilft sie den Kunden wirklich? Und was bedeutet sie für den Vermittler und seine Haftung? Darüber diskutierte eine hochkarätig besetzte Runde beim AFPA Praxisdialog im Palais Esterhazy.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 27.09.2018
In den vier Jahren IDD-Verhandlungen habe der Konsumentenschutz durchaus „Federn lassen“ müssen, sagte Dr.in Beate Blaschek vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, beim Praxisdialog unter der Moderation von Johannes Muschik, AFPA Obmann und FECIF Board Member, European Affairs. Das Problem sieht sie vor allem im relativ großen Interpretationsspielraum, den viele Formulierungen in der Richtlinie lassen. So habe etwa der Vertrieb „ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Kundeninteresse“ zu handeln. In einigen Punkten „werden wir sehr wohl Gerichte brauchen“, um praxisrelevante Fragen zu klären.
Besonders wichtig sei, dass auch Vergleichsportale von der Richtlinie umfasst sind – auch wenn man da und dort noch ein bisschen „nachschärfen“ müsste. „Ganz zufrieden sind wir noch nicht. Bei komplizierten Produkten ist das, was Durchblicker jetzt anbietet, nicht ausreichend.“
„Nicht gleich mit der Strafkeule kommen“
Die FMA kontrolliere keine Vermittler, erwarte aber von den Versicherungen „gewisse Überprüfungsschritte“ bei ihren Vertriebspartnern, sagte erklärte Dr. Ludwig Pfleger, FMA und EIOPA. Wenn die Vermutung besteht, dass er den Kunden nicht ordnungsgemäß beraten hat, müssen beim Versicherer „die Alarmglocken läuten“ und Verbesserungen beim Vermittler eingefordert oder die Vertragsbeziehung gegebenenfalls beendet werden. Beim möglichen Strafausmaß bei Verstößen – das im Vergleich zur DSGVO noch bescheiden sei – werde man am bisherigen Grundsatz „beraten statt strafen“ festhalten. „Wir gehen als FMA nicht immer gleich an die Höchstgrenzen heran, sondern machen das wie bisher mit Augenmaß.“ Man wolle „belehren und nicht gleich mit der Strafkeule kommen“.
Gewerbeordnung – „Entwurf in der Pipeline“
„Das Wirtschaftsministerium ist etwas langsam mit der Umsetzung der IDD“, räumte MMag. Stefan Trojer ein, der als Legist für die Gewerbeordnung Selbstständiger Vermittler im Wirtschaftsministerium zuständig ist. Das „gemächliche Tempo“ sei zu Beginn noch gut gewesen, um offene Fragen zu diskutieren und klären, jetzt aber „eher ungünstig“. Denn am 1. Oktober tritt die IDD in Kraft, Umsetzungsbestimmungen gebe es aber noch nicht. „Ich hoffe, dass das bald gelöst wird.“
Wann können Vermittler mit der geänderten Gewerbeordnung rechnen? Trojer bedauert, dass er dazu „keine Antwort“ geben könne. „Wir haben einen Entwurf in der Pipeline, er ist aber noch in Vorbereitung.“
Man habe im VAG kein Gold Plating betrieben, mit Ausnahme der eingeführten Beratungspflicht, so MMag. Dr. Martin Ramharter, Finanzministerium, Legist für VersVG und VAG. Er erwartet ein „level playing field“ zwischen dem Direktvertrieb und dem selbstständigen Vertrieb.
Kunde muss sich mit Finanzen beschäftigen
Ob sich Konsumenten überhaupt auf tiefgehende Versicherungsberatung einlassen wollen? Hier stehe man vor einem Dilemma, so Beate Blaschek in der anschließenden Diskussionsrunde. „Ich gebe zu, dass es für Vermittler sicher nicht einfach sein wird, die Aufmerksamkeit der Kunden so lange zu halten. Noch dazu, weil sich Österreicher nicht gerne mit Finanzen beschäftigen und das abgeben – aber auch das kann zu unliebsamen Folgen führen.“ Viele seien es nicht gewohnt, dass der Abschluss von Finanzprodukten Aufwand erfordere und man sich damit beschäftigen müsse. Es sei Aufgabe der Vermittler, Kunden auf diese Notwendigkeit hinzuweisen.
Saubere Dokumentation entscheidend
Allerdings: „Wer hat die Nutzungsbedingungen seines Smartphones gelesen? Oder beim Auto die Betriebsanleitung?“, gab René Hompasz, Geschäftsführer der Höher Insurance Services GmbH und Gerichtssachverständiger, zu bedenken. Das Problem sei, dass in unserer Gesellschaft „alles schnell gehen muss“.
„Informieren ist Pflicht des Vermittlers, aber lesen muss der Kunde selbst“, stellte Ludwig Pfleger klar. Wenn man beweisen kann, dass der Kunde die Information erhalten, aber aus welchen Gründen auch immer nicht gelesen hat, sei das seine Verantwortung. Deshalb sei auch saubere Dokumentation so entscheidend – „sonst werden Sie bei der Tendenz der Gerichte, die eher konsumentenfreundlich agieren, immer den Kürzeren ziehen“.
Kunden wieder als „mündige Bürger“ betrachten
Eine „Rückkehr zur Ansicht, dass Versicherungskunden mündige Bürger sind und wissen, was sie tun, forderte René Hompasz. Zudem plädierte er für eine Deregulierung und eine Entschärfung der Dokumentationspflicht. Sein Tipp für Kunden und Vermittler: „Hirn einschalten und nicht blind dem Internet oder der Software vertrauen.“
IDD beim AssCompact Trendtag
Die Versicherungsvertriebsrichtlinie wird auch beim AssCompact Trendtag am 18. Oktober in der Pyramie Wien/Vösendorf ein großes Thema sein. In einer Podiumsdiskussion im Hauptkongress widmen sich prominente Branchenvertreter der Provisions- und Bonifikationsvergütung im Rahmen der IDD. Ein eigener Workshop befasst sich mit den Auswirkungen der IDD auf das Maklerrecht. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung...
Fotos: AFPA, Risavy
Rückblick:
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren