Bis 23. Februar 2018 muss die EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD in nationales Recht umgesetzt werden. Für Diskussionsstoff in der Branche sorgt sie schon jetzt – nicht zuletzt wegen der verschärften Informationspflichten, die auf Versicherer und Vermittler zukommen. Bringen diese wirklich mehr Transparenz oder letzten Endes nur enormen Aufwand und Konfliktpotenzial? Diese Frage stand im Fokus der Podiumsdiskussion am AssCompact Trendtag unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Michael Gruber.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 03.10.2016
„Eigenverantwortung ermöglichen“ sei das Stichwort der FMA, betonte Dr. Stephan Korinek von der Finanzmarktaufsicht. So wichtig aber Information bei Versicherungsprodukten schon allein aus Rechtsgründen ist, so gelte auch in Sachen Transparenz: „Zu wenig Information kann letztlich zu einer wirtschaftlichen Nichtdurchschaubarkeit führen, zu viel Information aber auch.“ Derzeit gehe es eher in Richtung „mehr Information“. Wer als Vermittler nicht selbst Risiken eingehen will, müsse versuchen, „Sinn und Zweck“ zu erfüllen. Eine reine „Formalübung“ bringe weder in Bezug auf die Haftungsrisiken noch dem Kunden etwas.
Produktinformationsblatt: „Scheintransparenz“ und Rechtsunsicherheit?
Skeptisch zeigte sich Günther Weiß, HDI Versicherung AG, vor allem angesichts möglicher Rechtsstreitigkeiten, die das geplante Produktinformationsblatt mit sich bringen könnte. Auch wenn damit möglicherweise eine Verschlankung stattfinde, entstehe zugleich für Versicherer und Vermittler die Gefahr, geklagt zu werden, wenn etwa bestimmte Ausschlüsse nicht auf diesem Blatt aufgelistet sind. „Hier sehe ich eine große Herausforderung auf die Vermittlerschaft zukommen, vor allem auf kleinere Betriebe.“
„Am Ende des Tages wird die Suppe meistens nicht zu heiß gegessen, wie sie gekocht wird. Ich denke, das Eine oder Andere wird sich noch konkretisieren“, war Dr. Matthias Effinger, CEO der ARAG SE Direktion für Österreich, zumindest teilweise zuversichtlich. Aber auch er meldet Bedenken an: „Wenn ich versuche, ein komplexes Rechtsschutzprodukt auf zwei Seiten transparent darzustellen, suggeriert das dem Kunden möglicherweise, dass er damit das Produkt recht gut versteht und ein Blick in die doch etwas umfangreicheren Vertragsbedingungen vermeidbar ist. Das ist wohl ein Trugschluss – denn sobald es zur ersten Schadenablehnung kommt, sind sicherlich Konflikte vorprogrammiert.“ Er ist skeptisch, ob derartige Maßnahmen dem Kunden nicht eine „Scheintransparenz“ suggerieren. „Denn wären Versicherungsprodukte tatsächlich so einfach, dann gäbe es nicht so viele hochqualifizierte Makler, die eben genau dafür da sind, dass sie dem Kunden diese komplexen Produkte erklären.“
Den Kunden am Beratungsweg nicht verlieren
Dass die Branche „die richtigen Motive“ habe, davon war Dr. Philip Steiner, Nürnberger Versicherung AG Österreich, überzeugt. „Wir wollen den Kunden in die Lage versetzen, selber eine Entscheidung zu treffen. Aber wir machen die Dinge dorthin falsch.“ Das Interesse der Konsumenten an Versicherungen sei ohnehin nicht groß – noch mehr Hürden, noch mehr Informationen wirken abschreckend. Sein Ziel wäre die Schaffung von Regularien, „die es ermöglichen, dass wir den Kunden auf diesem Beratungsweg nicht verlieren, dass sich der Kunde wirklich dafür interessieren kann und eine bewusste Entscheidung trifft.“
Dass „Konsumentenschutz gut gemeint, aber deshalb vielleicht nicht immer gut ist“, merkte Dr. Peter Loisel, VAV Versicherungs-AG, an. „Wenn wir von Informationspflichten reden, dann kommen sie aus einer Vertrauenskrise. Sie sind immer etwa Defiziorientiertes.“ Er plädierte dafür, stärker auf Kundenfeedback Wert zu legen, dieses zu instrumentalisieren und systematisieren – „denn das ist gelebter Kundenschutz“. „Wenn jemand eine hohe Weiterempfehlungsrate hat, beweist er, dass er es gut macht. Ich fürchte, mit defizitorientierten Pflichten erreichen wir am Ende des Tages mehr Verwaltungsaufwand, aber nicht unbedingt höhere Kundenzufriedenheit.“
Nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich aufklären
Allein eine „formale Richtigkeit“, indem man dem Kunden 50 oder auch 100 Seiten aushändige, reiche nicht aus, sagte Dr. Beate Blaschek, BM f. Arbeit und Soziales. „Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass die Gerichte das Überreichen von Informationen in unzähliger Anzahl nicht als ausreichend sehen.“ Fazit: Anzustreben sei „absolute Richtigkeit“ – „und das heißt aus meiner Sicht nichts anderes, als dass Sie all diese Informationsvorschriften nicht nur in geschriebener Art und Weise, sondern auch mündlich an Ihren Kunden heranbringen, und zwar so, dass Sie sich auch noch vergewissern, ob er oder sie das versteht.“ Dass dies nicht leicht sei, stritt Blaschek nicht ab. „Aber schließlich geht es auch nicht um ein Geschäft, das für ein Jahr gilt, sondern sehr oft für Jahrzehnte. Insofern ist der Aufwand aus meiner Sicht durchaus gerechtfertigt.“
Unabhängigen Vermittlern nicht das Leben schwer machen
Vor einem benachteiligenden Wettbewerb warnte Gottfried Pilz, VFS – Ihr Versicherungsmakler in Linz und FG Obmann der Versicherungsmakler NÖ. Manche Vorschriften seien für einen Einfirmenvertreter leichter umsetzbar als für den freien Vermittler. „Man muss schon aufpassen, dass man durch gut gemeinte Wettbewerbsregeln nicht die, die eigentlich den Wettbewerb unterstützen, nämlich die ungebundenen Vermittler, am meisten mit Bleigewichten ausstatten, sodass diese dann möglicherweise schwerer überleben als die anderen.“ Es dürfe nicht so weit kommen, dass er gesamte Zeitaufwand des Vermittlers in die Erfüllung von Formalvorschriften und Informationspflichten fließe. „Wenn wir diese Hürden und Aufwände ins Unermessliche steigern, dann gibt es keine Beratung mehr, und dann drängen wir den Kunden ins Internet.“
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