Ein Mann stürzt beim Aussteigen aus seinem Auto in einen Brunnenschacht und verletzt sich schwer. Steht ihm eine Leistung aus der Lenkerschutzversicherung zu? Wie der OGH entschieden hat, und was diese Versicherungsvariante interessant macht, weiß Reinhard Jesenitschnig von der C:M:S Contracta.Makler.Service GmbH.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 03.10.2016
In einem unkonzentrierten Augenblick kam der Autolenker von der Straße ab und rammte einen am Fahrbahnrand abgestellten Pkw. Er blieb unverletzt und wollte aussteigen. Dabei übersah er den offenen Brunnenschacht unter sich, stürzte hinein und musste schließlich mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Der Mann hatte eine Lenkerschutzversicherung abgeschlossen – eine relativ junge Versicherungsform, die in Österreich erst wenige Versicherer als Zusatzversicherung zur Kfz-Haftpflicht anbieten. Laut den Versicherungsbedingungen erbringt der Versicherer „Leistungen wie ein Haftpflichtversicherer nach Maßgabe gesetzlicher österreichischer Haftpflichtbestimmungen“. Versichert sind in diesem Fall Personenschäden des berechtigten Lenkers, die durch einen Unfall beim Lenken des versicherten Fahrzeuges entstanden sind. Die Leistungen werden allerdings nur subsidiär erbracht – das heißt, dass kongruente gesetzliche oder vertragliche Ansprüche gegenüber Dritten, soweit sie durchsetzbar sind, vorgehen.
Schaden muss nicht beim Lenken eintreten
Das war beim verunfallten Kunden in diesem Fall nicht so, und dennoch lehnte die Lenkerschutzversicherung jegliche Leistung ab. Der Unfall sei nicht beim Lenken des Fahrzeuges, sondern beim Aussteigen passiert und falle damit nicht in die Leistungsvoraussetzungen. Der Lenker brachte daraufhin Klage ein – und erhielt in allen Instanzen Recht. Erst- und Berufungsgericht meinten, die Formulierung „beim Lenken“ bedeute nur, dass sich der Verkehrsunfall aus einer Lenkertätigkeit des Verletzten ergeben müsse, nicht jedoch, dass auch der Personenschaden noch während der Ausübung dieser Tätigkeit eingetreten sein müsse.
Aussteigen unter erhöhter Gefahr
Der OGH führte aus, dass beim „normalen“ Aussteigen keine mit dem Lenken verbundene Gefahrenlage bestehe. Wenn aber das Fahrzeug nach einer Kollision in eine unfallbedingte Endlage an exponierter Stelle gerate, die nicht zum Abstellen eines Fahrzeuges geeignet sei, sei das Aussteigen sehr wohl mit besonderen Gefahren verbunden. „Dieses erhöhte Gefahrenmoment hat im geschilderten Fall ja gerade zum Sturz des Lenkers und zu den schweren Verletzungen geführt“, so Jesenitschnig. Damit sei die Gefahrenlage laut OGH-Urteil in diesem besonderen Fall erst nach Verlassen des Fahrzeuges beendet. Ein Unfall beim Aussteigen unter diesen Umständen stehe daher unter Versicherungsschutz (OGH 7 Ob 37/16s).
Lenkerschutzsversicherung als Alternative
„Das Besondere an dieser Form der Versicherung ist, dass der Lenker Ersatzansprüche auf Leistungen hat, die sonst nur gegenüber Dritten durchsetzbar sind, wie Pflegekosten, Heilkosten oder auch Unterhaltsansprüche“, so Jesenitschnig. „Da die zur Verfügung stehende Versicherungssumme wesentlich höher gewählt werden kann als – üblicherweise – bei herkömmlichen Unfallversicherungen, ist sie eine interessante Alternative zur Lenker-Unfallversicherung, die zudem im Leistungsbegriff stark eingeengt ist, nämlich im Wesentlichen nur auf Dauerinvalidität oder Unfalltod.“
Interessant sei auch die Prämie: „Sie gilt für den namentlich genannten oder berechtigten Lenker und ist laufzeitmäßig an die Kfz-Haftpflichtversicherung gebunden, endet also ohne Kündigung bei Wegfall dieser Versicherung.“
Mehr über die Besonderheiten der Lenkerschutzsversicherung lesen Sie in der AssCompact Oktober-Ausgabe.
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