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Libra Coin – baut Facebook eine globale Bankengruppe?

Libra Coin – baut Facebook eine globale Bankengruppe?

18. Juli 2019

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5 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Facebook sorgt mit der geplanten Digitalwährung „Libra“ für Aufsehen. Was der Konzern plant und warum man Libra nicht unterschätzen sollte, klärt AssCompact-Redakteur Mag. Markus Waghubinger.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 18.07.2019

Von Markus Waghubinger, Gründer der finothek GmbH*

Kryptowährungen wie Bitcoin, Litecoin oder Dash waren in den vergangenen Jahren nahezu in aller Munde. Bislang behielten Kritiker meist Recht: Sie eignen sich kaum für den Zahlungsverkehr oder die Aufbewahrung von Werten. Von Währungen kann also (noch) keine Rede sein. Auch der Libra Coin von Facebook hat nicht den Charakter einer Währung, aber den eines Multi-Währungszahlungssystems. Deswegen und aufgrund der unglaublichen Benutzerreichweite von zweieinhalb Milliarden Menschen muss man Libra eindeutig ernst nehmen.

Mehr finanzielle Inklusion

Libra hat es sich offiziell zum Ziel gesetzt, ein Zahlungssystem zu schaffen, in das alle Menschen der Erde integriert werden können und spricht damit das Problem der finanziellen Inklusion an: Immer noch gibt es 1,7 Mrd. Menschen, die keinen Zugang zu einem Girokonto haben. Es ist zwar schwierig zu glauben, dass Facebook Libra ausschließlich aus wohltätigen Gründen angestoßen hat, doch die Reichweite von Facebook kombiniert mit mobilen Zahlungslösungen und günstigen Einstiegspreisen hat durchaus Potenzial, einen Beitrag zur Steigerung der finanziellen Inklusion zu leisten.

Bisher 27 Partner an Bord

Libra wird nicht allein von Facebook kontrolliert – man hat sich bislang 27 namhafte Partner als Gründungsmitglieder der Libra Association mit Sitz in Genf an Bord geholt. Weltkonzerne wie Mastercard, Visa, Paypal, eBay, Vodafone und Uber werden ebenfalls an der zu gründenden Gesellschaft beteiligt sein, mindestens 72 weitere Partner werden bis zum geplanten Marktstart im Jahr 2020 noch gesucht. Die Einstiegskriterien sind vielfältig, im Wesentlichen sind aber mindestens zehn Mio. Einsatz gefordert, um stimmberechtigter Teil des Netzwerks werden zu können. Die Facebook Tochter Calibra wird nur einer der vielen stimmberechtigten Partner von Libra sein. Geplant ist, dass kein Teilnehmer mehr als ein Prozent der Stimmrechte innehat.

„Korb“ aus globalen Leitwährungen

Wer jetzt beim Wort Kryptowährung oder Blockchain an die bisherigen Lösungen denkt, unterschätzt Libra in diesem Punkt unter Umständen gewaltig. Denn entgegen gängiger Kryptowährungen, die es bislang nicht zu mehr als Spekulationsobjekten geschafft haben, weil einfach die Transaktionsmenge und -geschwindigkeit genauso wie die Wertstabilität fehlte, wird Libra aus einem Korb der globalen Leitwährungen bestehen. Wird Geld in Euro, US-Dollar, britischem Pfund oder japanischem Yen einbezahlt, wird ein Libra Coin neu geschaffen, wird Geld ausbezahlt, wird der Coin wieder zerstört. Die Währungen werden dabei in Form von Einlagen oder Staatsanleihen gehalten, weswegen Libra eher einem gedeckten Bankkonto als einer Kryptowährung entspricht. Denn die Anzahl von Libra am Wallet repräsentiert eine gewisse Geldmenge an globalen Leitwährungen und funktioniert somit quasi wie ein Multi-Währungs-Girokonto.

Bedrohung für Banken

Finanzminister der ganzen Welt haben sich nun gegen Libra ausgesprochen und befürchten die Verlagerung des staatlichen Geldmonopols in private Hände. Bei genauerer Betrachtung müssen wohl weniger die großen Staaten der Erde Angst bekommen, denn ihre Währungen sind Grundlage für Libra, vielmehr müssen Geschäftsbanken um ihre Stellung bangen. Ein globaler Währungskorb aus den Leitwährungen mit günstigen Konditionen und großer Nutzer- und Partnerbasis ist eine Konkurrenz zum Girokonto und somit Lösung für die täglichen Geldgeschäfte, die heute mittels Girokonten und Kreditkarte erledigt werden. Libra hat also den Charakter einer Multi-Währungs-Verrechnungseinheit für den globalen Zahlungsverkehr, bei dem jeder Netzwerkpartner eigene Bankkonten anbieten kann. Egal ob im Onlineshop, mit dem Handy an der Kasse, direkt über WhatsApp oder vielleicht sogar mit eigener Karte – die Anwendungsbeispiele für ein Libra-Bezahlsystem sind vielfältig.

Globales Zahlungssystem oder Machtmonopol?

Noch sind nicht alle relevanten Details bekannt und es ist auch unklar, wann der Währungskorb einsatzbereit ist. Sicher ist jedoch, dass eine riesige Internet- und Kryptocommunity genau darauf achten wird, wie Libra ausgestaltet wird und ob Facebook nun damit auf die dunkle Seite der Macht zusteuert oder wirklich der Welt ein faires, leicht zugängliches Zahlungssystem schenken möchte. Eine globale Leitwährung, die die führenden Industrienationen nicht im Stande waren zu schaffen, wird denkbar. Aber wollen wir das überhaupt auf diese Art und Weise haben und lassen es die Staats- und Regierungschefs dieser Erde soweit kommen?

*Der gesamte Artikel erscheint in der AssCompact August-Ausgabe.

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