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OGH klärt Mitverschulden nach Unfall zwischen Auto und Motorrad

OGH klärt Mitverschulden nach Unfall zwischen Auto und Motorrad

09. Mai 2018

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4 Min. Lesezeit

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News-Recht & Wissen

Ein Autofahrer hatte an einer Kreuzung den Vorrang verletzt und stieß deshalb mit einem Motorradfahrer zusammen. Letzterer war ohne Schutzkleidung und zu schnell im Ortsgebiet unterwegs. Trifft ihn ein Mitverschulden?

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 09.05.2018

Der Motorradfahrer war in Jeans und T-Shirt zu einer Tankstelle unterwegs, die etwa fünf Kilometer von seinem Wohnort entfernt war. Auf der Rückfahrt überholte er im Ortsgebiet zwei Fahrzeuge, wobei er eine Geschwindigkeit von rund 86 Stundenkilometern – anstatt der zulässigen 50 Stundenkilometern – erreichte. Danach wollte er eine Kreuzung geradeaus überqueren, wieder mit einer geringeren Geschwindigkeit von rund 60 Stundenkilometern. Dabei übersah ihn ein aus der Gegenrichtung kommender Autofahrer, der links abbiegen wollte. Es kam zu einer streifenden Kollision der beiden Fahrzeuge.

Die Folgen für den Motorradfahrer waren gravierend und führten zu seiner vollständigen Arbeitsunfähigkeit als Maschinenmechaniker. Er erlitt unter anderem einen offenen Bruch am Unterschenkel, mehrere Frakturen und Quetschungen, ein Bein musste verkürzt werden. Wegen der schweren Verletzungen und des langwierigen Heilungsverlaufs kam es bei dem Mann zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sukzessive in eine mittelgradige Depression überging.

Der Motorradfahrer forderte nun Schadenersatz vom erstbeklagten Autofahrer und dessen zweitbeklagter Haftpflichtversicherung. Ersteren treffe das Alleinverschulden am Unfall wegen Vorrangmissachtung. Der Kläger sei weder zu schnell noch unaufmerksam gefahren. Auch wenn er im Bereich der Unfallstelle die zulässige Höchstgeschwindigkeit leicht überschritten habe, hätte er auch bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern die Kollision und ihre Folgen nicht verhindern können.

Mitverschulden des Motorradfahrers?

Die Beklagten erkannten ihre Solidarhaftung zu zwei Dritteln an, argumentierten jedoch, den Kläger treffe ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Drittel. Er habe sich der Unfallstelle mit weit überhöhter Fahrgeschwindigkeit genähert und auf das für ihn erkennbare Linksabbiegemanöver des Erstbeklagten nicht reagiert. Zudem habe er keine Schutzkleidung getragen, mit der die Verletzungen weniger gravierend ausgefallen wären.

Das Erstgericht gab der Klage statt und stellte fest, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand auch zu einem weiteren Drittel für die Unfallfolgen haften müssen, betreffend das Schmerzensgeld allerdings nur zu drei Vierteln und die Zweitbeklagte begrenzt mit der Versicherungssumme. Die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers von fünf Stundenkilometern könne im Vergleich zur krassen Vorrangverletzung des Autofahrers vernachlässigt werden. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Kläger keine Motorradschutzkleidung getragen habe, was die Unfallfolgen wesentlich verringert hätte. Das Berufungsgericht verneinte ein Mitverschulden wegen der fehlenden Schutzkleidung und sprach Schmerzensgeld ungekürzt zu.

Vorrangverletzung wiegt schwerer

Der OGH (2Ob44/17k) stellte fest: Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen über den Vorrang wiege schwerer als andere Verkehrswidrigkeiten. Das weitaus überwiegende Verschulden des Beschädigten hebe die Haftung des anderen Teils gänzlich auf. Wenn die Vorinstanzen im Einklang mit der Rechtsprechung zugunsten des Klägers von einer Geschwindigkeitsüberschreibung von bloß fünf Stundenkilometern ausgehen und angesichts der gravierenden Vorrangverletzung, die dem Erstbeklagten zur Last zu legen ist, ein Auslösungsmitverschulden als vernachlässigbar ansehen, sei das nicht zu beanstanden.

Weniger Schmerzensgeld wegen fehlender Schutzkleidung

Der OGH sprach dem Kläger Schadenersatz von 31.000 Euro zu. Die beklagten Parteien haften dem Kläger zur ungeteilten Hand, der Haftpflichtversicherer begrenzt mit der Versicherungssumme des Fahrzeuges, für sämtliche Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall auch zu einem weiteren Drittel, insgesamt daher zur Gänze, betreffend das Schmerzensgeld allerdings nur zu drei Vierteln, soweit das Nichttragen der Motorradschutzkleidung für die erlittenen Schmerzen ursächlich war.

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