Prof. Dr. iur. Leander D. Loacker, M.Phil., Lehrstuhl für Privat- und Wirtschaftsrecht, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht sowie Rechtsvergleichung, erklärt die Chancen und Risiken von Open Insurance, einem neuen regulativen Konzept, das durch standardisierte Schnittstellen den Austausch von Kundendaten ermöglicht.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 10.01.2025
Was bedeutet Open Insurance?
„Open Insurance beschreibt nach der Vorstellung des EU-Regulators den Zugriff auf und die Weitergabe von versicherungsbezogenen Kundendaten, vor allem zwischen Versicherern und Dritten mithilfe standardisierter Programmierschnittstellen (APIs). Ziel ist es, innerhalb der EU ein offenes, digitales Ökosystem für Finanzdaten zu schaffen – sofern der Kunde der Datenweitergabe jeweils zustimmt,“ erklärt Prof. Dr. Loacker.
Das Konzept soll den Versicherungssektor in eine umfassendere Open-Finance-Strategie integrieren und dadurch Innovation und Wettbewerb fördern.
Laut Loacker bietet Open Insurance erhebliche Vorteile: „Eine der zentralen Hoffnungen, die mit diesem Konzept verbunden sind, ist die Förderung von Innovation und Wettbewerb. Durch Datenöffnung soll Marktöffnung entstehen. Innovatoren sollen die Chance erhalten, dank freierem Datenzugang innovativere Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.“
Zudem könne Open Insurance die Effizienz steigern. „Standardisierte Datenformate und APIs reduzieren nämlich – jedenfalls langfristig – den Aufwand für das Management und den Austausch von Kundendaten und beschleunigen Geschäftsprozesse.“
Darüber hinaus könne die Beratungsqualität profitieren: „Unabhängige Versicherungsvermittler könnten zukünftig unkomplizierten und direkten Informationszugang ‚an der Quelle‘ haben. Das kann ein besseres Bild von bestehenden Bedürfnissen ermöglichen und so zu zielgerichteterer Beratung veranlassen.“
Herausforderungen und Risiken
Die Einführung von Open Insurance sei jedoch nicht ohne Stolpersteine. „Eine zentrale Herausforderung ist sicher die Wahrung eines angemessenen Datenschutzniveaus – gerade angesichts der freiwilligen Möglichkeit der Absenkung dieses Niveaus auf ausdrücklichen Kundenwunsch hin", so Loacker.
Auch die technische Implementierung sei komplex: „Durch FiDA verpflichtete Finanzunternehmen müssen erheblich in die Entwicklung und Pflege von APIs investieren, die sicher, zuverlässig und vor allem kompatibel mit den Systemen anderer Marktteilnehmer sind.“
Weitere Risiken sieht Loacker in der möglichen Exklusion technikferner Menschen: „Wer schon bisher seine Daten entweder nicht teilen will oder nicht teilen kann – etwa, weil er in technischer Hinsicht einfach unbedarft ist – könnte künftig noch stärker faktisch diskriminiert sein.“
FiDA und Versicherungsmakler
Die geplante FiDA-Verordnung wird die Grundlage für Open Insurance bilden. „Beabsichtigt ist die Verabschiedung einer sog. FiDA-Verordnung innerhalb der EU. Die Voraussetzungen dafür könnten bis zum Jahr 2028 von den sachlich erfassten Personenkreisen verpflichtend zu schaffen sein,“ erläutert Loacker.
Versicherungsmakler sind direkt betroffen, wenn sie die Größe von mehr als 250 Mitarbeitern oder 50 Millionen Jahresumsatz erreichen. Kleinere Maklerunternehmen könnten freiwillig optieren.
„Ich persönlich würde davon abraten, diese Entscheidung ‚aus dem Bauch heraus‘ zu treffen. Tatsächlich kann ein Hineinoptieren in die Verordnung vor allem dann attraktiv sein, wenn man bereits eine konkrete Produkt- oder Dienstleistungsinnovation vor Augen hat,“ empfiehlt der Experte.
Ausblick und Bedeutung von Open Insurance
Open Insurance hat das Potenzial, die Versicherungsbranche grundlegend zu verändern. Es eröffnet neue Möglichkeiten für Innovation und Effizienz, bietet aber gleichzeitig Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Prof. Dr. Leander D. Loacker betont, wie wichtig es ist, den rechtlichen und technologischen Fortschritt aufmerksam zu verfolgen, um die Chancen optimal zu nutzen und die Risiken zu minimieren. Für Vermittler und Versicherer wird es entscheidend sein, frühzeitig strategisch zu handeln und den Wandel aktiv mitzugestalten.
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Foto oben: Prof. Dr. iur. Leander D. Loacker, M.Phil, Lehrstuhl für Privat- und Wirtschaftsrecht, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht sowie Rechtsvergleichung
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