Ein Paragleiter muss auf einer Tanne notlanden, klettert hinunter und verletzt sich dabei. Gilt er zum Unfall-Zeitpunkt noch als Luftfahrzeugführer und erhält daher keine Leistung aus der Unfallversicherung? Dr. Wolfgang Reisinger, Leiter der Abteilung Spezialschaden der Wiener Städtischen, nimmt Stellung zum Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH).
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 30.11.2016
Während seines Gleitschirmfluges geriet der Sportler in Turbulenzen, verlor an Höhe und entschloss sich daher zu einer Notlandung. Mangels einer besseren Alternative landete er am Wipfel einer 40 Meter hohen Tanne – und blieb dabei unverletzt. Weil er aber befürchtete, der Rettungshubschrauber würde kommen und bei der Landung den Gleitschirm beschädigen, beschloss er, nach unten zu klettern. Das Verheerende: Er konnte von oben nicht sehen, dass die Tanne im untersten Bereich keine Äste hatte. Der Paragleiter rutschte rund fünf Meter am Stamm entlang hinunter und verletzte sich dabei am rechten Fuß.
Von seiner Unfallversicherung erhielt er keine Deckung. Der Verletzte sei nämlich als Luftfahrzeugführer eines Paragleiters gelandet, der beim Hinunterklettern erlittene Unfall sei daher als untrennbares, durch die Notlandung eingeleitetes Gesamtereignis zu werten. Die Deckungsklage des Kunden blieb in allen Instanzen erfolglos.
Typische Gefahr endet erst am festen Boden
Der Kunde argumentierte, zum Zeitpunkt des Unfalls sei er „Baumkletterer“ gewesen und der Vorfall hätte sich ebenso ereignet, wenn er zuvor die Tanne hinaufgeklettert wäre. Dagegen hält der OGH (7 Ob 120/16x), dass der Sportler ohne die flugbedingte Notlandung weder den Baumwipfel erreicht hätte noch in die Verlegenheit gekommen wäre, den Abstieg über den Baumstamm über fünf Metern ohne Äste zu wagen.
Luftfahrzeugführer sei man grundsätzlich vom Start bis zur folgenden Landung. Auch das Verlassen des Luftfahrzeuges gehöre noch zu dessen Verwendung, können doch damit ganz spezifische Gefahren verbunden sein. Bei einem Gleitschirmflug führe nicht schon eine Notlandung zur Beendigung der flugtypischen Gefahren, sondern erst das „Erreichen festen Bodens“.
Ähnliches Urteil für Autofahrer
„Der OGH bezieht sich hier durchaus zutreffend auf die Entscheidung 7 Ob 37/16s aus der Lenkerunfallversicherung, wonach ein beim Aussteigen aus einem KFZ erfolgter Unfall auch im Zusammenhang mit dem Lenken des KFZ gesehen wurde“, erklärt Reisinger. „Man kann hier ohne weiteres von einem ‚gedehnten‘ Versicherungsfall sprechen.“ Natürlich werde es in der Praxis Abgrenzungsprobleme geben, ab welchem Augenblick „der sichere Boden“ erreicht wurde.
Der gesamte Artikel von Dr. Wolfang Reisinger erscheint in der AssCompact Dezember-Ausgabe.
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