Vielfach hat sich der OGH schon mit der Interpretation der „Gefahr des täglichen Lebens“ in der Privathaftpflichtversicherung auseinandergesetzt. Das jüngste Urteil betrifft eine unangemessene Körperverletzung (OGH 7 Ob 86/19a, versdb 2019, 30).
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 25.07.2019
Von Ewald Maitz, MLS
Der Versicherungsnehmer (VN) wurde vor einem Lokal in einen Streit verwickelt, bei dem es zu Tätlichkeiten kam (AssCompact berichtete https://www.asscompact.at/nachrichten/ogh-keine-haftpflicht-bei-%E2%80%9...). Der VN versetzte seinem am Boden liegenden Gegner einen Fußtritt gegen den Kopf, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, von ihm abzulassen und ohne weiteres davonzulaufen. Durch den Tritt erlitt der Mann eine schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen.
Entscheidung des OGH
Es liegt hier lt. OGH keine versicherte Gefahr des täglichen Lebens vor. Eine – wenngleich in einer (vermeintlichen) Notwehrsituation – aus Furcht vorgenommene unangemessene Körperverletzung, nachdem sich der VN in wechselseitige verbale Beschimpfungen, Beleidigungen und Provokationen eingelassen hatte und damit aktiv an der weiteren Eskalation beteiligt war, ist keine vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens, in die ein Durchschnittsmensch im normalen Lebensverlauf üblicherweise gerät.
Gefahr des täglichen Lebens
Kern des Versicherungsschutzes in der Privathaftpflichtversicherung bildet die Formulierung Gefahr des täglichen Lebens bzw. die Auslegung dieser Formulierung.
Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall ist eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des VN. Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen und sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen. Derartigen Fällen liegt eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zugrunde.
Im vom OGH entschiedenen Fall hat der VN allerdings überreagiert, weshalb der OGH das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens zurecht verneinte. Es handelt sich hier nicht mehr um eine außergewöhnliche Gefahrensituation, die auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch aus Unvorsichtigkeit schaffen kann. Auch in der Vergangenheit gab es Entscheidungen des OGH, die in diese Richtung gingen (Verneinung der Gefahr des täglichen Lebens):
- grob fahrlässige Tötung des Vaters wegen Überschreitung des gerechtfertigten Maßes der Verteidigung
- aktive Einmischung in eine Handgreiflichkeit und „schupfen“ eines Kontrahenten weder als Abwehrreaktion noch als Reflexhandlung oder Schlichtungsversuch
Eine unangemessene Überreaktion des VN ist daher nicht mehr „Gefahr des täglichen Lebens“ und fällt daher nicht mehr in den Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung.
Der Artikel erscheint in der AssCompact August-Ausgabe.
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