„Es ist Mode geworden, lang zurückliegende Kaufentscheidungen über Finanzprodukte anzufechten, wenn sich das Investment nicht wunschgemäß entwickelt“, stellt Schadenexperte Dr. Wolfgang Reisinger fest. Diesem „Rosinenpicken“ habe der Oberste Gerichtshof (OGH) nun erstmals einen Riegel vorgeschoben.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 20.03.2019
Konkret geht es um ein Urteil vom 21. November 2018 (7 Ob 133/18m). Worum ging es? Eine Kundin hatte 2001 über ihre Versicherungsmaklerin zwei gebrauchte Lebensversicherungen („Secondhand-Polizzen“) zweier britischer Versicherer gekauft. Im Jahr 2015 klagte sie die Maklerin auf rund 50.000 Euro, weil sie damals nicht über ihr Rücktrittsrecht belehrt worden sei. Sie trete vom Kaufvertrag zurück und begehre Rückabwicklung in Ansehung beider Versicherungsverträge. Der OGH wies die Klage ab.
Rücktritt nach vielen Jahren ist Rechtsmissbrauch
Es stelle einen Rechtsmissbrauch dar, dass die Klägerin 17 Jahre nachdem der Kaufvertrag erfüllt sowie Jahre nachdem die Verträge abgewickelt wurde und sie festgestellt hatte, dass sich die Investitionen nicht wie gewünscht entwickelt haben, nun unter Berufung auf die unterlassene Belehrung vom Kaufvertrag zurückzutreten. „Es gehört nicht zu den Rechtsschutzzielen, die mit der Einräumung eines Rücktrittsrechts bei Haustürgeschäften verfolgt werden, dem Käufer eines Finanzprodukts bloß aufgrund fehlender Belehrung die Möglichkeit zu eröffnen, sich Jahre später ohne jeglichen Bezug zu den Umständen des Vertragsabschlusses von einem Anlagerisiko zu befreien, das er beim Kauf auf sich genommen hat“, kommentiert Reisinger das Urteil.
Kaufvertrag und keine Lebensversicherung
„Der OGH stellt zwar richtig fest, dass es sich hier um einen Kaufvertrag über Secondhandpolizzen handelt und nicht um einen Lebensversicherungsvertrag“, so der Schadenexperte. Eine analoge Anwendung der zum Rücktrittsrecht bestehenden Grundsätze auf den vorliegenden Kaufvertrag komme daher nicht in Betracht. „Das ist zwar formal richtig, doch können die oben genannten Entscheidungsgründe ohne weiteres auch auf die fehlerhafte oder fehlende Belehrung über das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen angewendet werden“, meint Reisinger.
„Ewiges“ Rücktrittsrecht bleibt offen
Der OGH relativiere hier „ganz deutlich“ die frühere „unglückliche Entscheidung“ (7 Ob 107/15h), nach der die fehlerhafte Belehrung über das Rücktrittsrecht zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht des Kunden führt. „Ob es daher ein ‚ewiges‘ Rücktrittsrecht gibt, wenn der Vertrag bereits abgewickelt wurde, bleibt weiteren Entscheidungen vorbehalten, nachdem der OGH bereits den EuGH angerufen hat.
Den gesamten Kommentar von Dr. Wolfgang Reisinger lesen Sie in der nächsten AssCompact Ausgabe.
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