Ein Autolenker wird während des Abbiegemanövers von links überholt. Er bemerkt das Fahrzeug zu spät, es kommt zu einem Unfall. Ob ihn eine Mitschuld trifft, hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) zu entscheiden.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 08.04.2019
Der Kläger war im Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit zwischen 30 und 35 Stundenkilometern unterwegs. Er wollte links abbiegen, weshalb er den Blinker setzte, verlangsamte und sich der Fahrbahnmitte annäherte. Kurz vor dem Abbiegen vergewisserte er sich durch den „3-S-Blick“ (Innenspiegel-, Außenspiegel- und Schulterblick), ob sich keine Fahrzeuge näherten.
Hinter dem Auto fuhren zwei weitere Fahrzeuge nach. Der Lenker des dritten Autos bemerkte den abbiegenden Pkw nicht und setzte zum Überholen an. Der Kläger nahm das ihn überholende Auto zu spät wahr, es kam zu einem Zusammenstoß.
Autolenker klagt Haftpflichtversicherer
Der Lenker des Abbiege-Autos klagte den Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeugs auf rund 5.800 Euro Schadenersatz. Das Alleinverschulden treffe den vorschriftswidrig überholenden Autofahrer.
Der beklagte Versicherer wandte eine Gegenforderung von rund 4.500 Euro gegen die Klagsforderung ein. Er ortete wiederum das Alleinverschulden beim Kläger, der den gebotenen letzten Blick vor dem Linkszug nicht durchgeführt habe. Andernfalls hätte er das bereits in Überholposition befindliche Auto wahrnehmen müssen. Überdies sei das Klagsfahrzeug nicht zur Fahrbahnmitte hin eingeordnet gewesen und habe nicht geblinkt.
Das Erstgericht akzeptierte die Klage, nicht aber die Gegenforderung des Versicherers. Das Berufungsgericht gelangte zu einer Verschuldensteilung von 3:1 zu Lasten des überholenden Lenkers.
Kläger trifft kein Mitverschulden
Der OGH (2 Ob 50/18v) widersprach dem Berufungsgericht und stellte die erstgerichtliche Entscheidung wieder her. Hat der Fahrer seine Absicht, nach links abzubiegen, rechtzeitig angezeigt und sich davon überzeugt, dass niemand zum Überholen angesetzt hat, dann sei er nicht verpflichtet, unmittelbar vor dem Abbiegen noch einmal den nachfolgenden Verkehr zu beobachten. Er dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass ein nachfolgender Lenker dieses Manöver wahrnehmen, sich vorschriftmäßig verhalten und ihn rechts überholen werde.
Das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug befand sich beim letztmaligen „3-S-Blick“ des gegnerischen Lenkers noch in der Kolonne und nicht in Überholposition. Schon deshalb sei dem Kläger kein Mitverschulden anzulasten.
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren