Der Versicherungsnehmer hatte eine Unfallversicherung, die auch seinen Sohn für den Fall einer dauernden Invalidität abdeckte. Bei einem Unfall während eines Fahrsicherheitstrainings verletzte sich der Sohn und erlitt eine dauerhafte Invalidität. Der Versicherer lehnte die Zahlung ab, da der Sohn keine entsprechende Fahrerlaubnis für das Motorrad besaß, das er fuhr. Der Fall wurde vor Gericht gebracht, da der Versicherer sich auf eine Verletzung der Vertragsobliegenheiten gemäß den Versicherungsbedingungen berief. (7 Ob 7/24s)
Zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestand ein Unfallversicherungsvertrag, bei dem auch der Sohn des Versicherungsnehmers für den Versicherungsfall der dauernden Invalidität auf fremde Rechnung mitversichert war. Dem Versicherungsvertrag lagen die die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 2019 (AUVB 2019) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauteten:
„Artikel 21 – Was ist vor Eintritt eines Versicherungsfalles zu beachten? Was ist nach Eintritt eines Versicherungsfalles zu tun?
Obliegenheiten
Als Obliegenheiten werden vereinbart:
1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles:
1.1 Die versicherte Person hat als Lenker eines Kraftfahrzeuges die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen Kraftfahrzeuges erforderlich wäre, zu besitzen; dies gilt auch dann, wenn dieses Fahrzeug nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird. [...]“.
Der damals 15-jährige Mitversicherte erlitt Anfang September 2022 im Zuge der Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining in einem Trialgarten einen Unfall, bei dem er sich eine Fraktur des Tibiaschaftes am rechten Bein zuzog. Dies führte zu einer dauernden Invalidität von 6% des Beinwertes. Der Mitversicherte verfügte nur über eine Lenkberechtigung für die Klasse AM, nicht aber über eine solche für Motorräder mit einem Hubraum von 125 Kubikzentimeter (A1). Das verwendete Trial-Motorrad hatte einen Hubraum von 125 Kubikzentimeter, war ausschließlich für den Offroad-Bereich konzipiert, wurde nur auf der Wiese gefahren und diente dem Üben der Fahrtechnik. Für Motorräder mit einem Hubraum von bis zu 125 Kubikzentimeter ist nach dem Gesetz die Führerscheinklasse A1 erforderlich. Der Unfallversicherer lehnte eine Versicherungsleistung unter Verweis auf eine Obliegenheitsverletzung gemäß Artikel 21.1.1 der AUVB 2019 ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 06.03.2024 (7 Ob 7/24s) führte der OGH zunächst aus, dass die versicherte Person nach Art 21.1.1 AUVB 2019 als Lenker eines Kraftfahrzeugs die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung für das Lenken dieses oder eines typengleichen Fahrzeugs haben muss. Diese Führerscheinklausel habe auch für Fahrten auf nichtöffentlichem Grund Geltung. Sie ziele darauf ab, den Versicherer nicht dem höheren Risiko durch unerfahrene und ungeschulte Lenker auszusetzen. Das Unfallrisiko eines bloßen Bedienungs-bzw. Fahrfehlers sei bei diesen Lenkern auf öffentlichen wie auf nichtöffentlichen Flächen gleich hoch. Die Führerscheinklausel stelle darauf ab, ob der Lenker eine (allgemeine) Fahrberechtigung und damit eine gewisse Fahrsicherheit hat, egal auf welcher Fläche er das Fahrzeug lenkt. Das fahrerische Können solle bereits vor Antritt der Fahrt in der vom Gesetz formalisierten Weise durch Erhebungen der Behörde und die Fahrprüfung dargetan sein.
Nach Ansicht des OGH ist daher die Führerscheinklausel dahin zu verstehen, dass der Mitversicherte, um Versicherungsschutz zu genießen, zum Lenken eines Kraftfahrzeugs über die entsprechende Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz (FSG) verfügen muss. Auch Fahrten auf nichtöffentlichem Grund, für die keine Lenkberechtigung erforderlich ist, seien von der Führerscheinklausel ausdrücklich erfasst. Das Fahrtechniktraining fand auf einem Gelände ohne Straßen mit öffentlichem Verkehr statt. Dies stehe daher dem Erfordernis einer Lenkberechtigung nicht entgegen. Auch wenn daher das Verhalten des Mitversicherten nach dem Führerscheingesetz möglicherweise nicht verboten gewesen sei, resultiere daraus nach der Bedingungslage des Unfallversicherungsvertrags keine Leistungspflicht des Versicherers. Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass der Unfallversicherung die Leistung zu Recht ablehnte.
Schlussfolgerungen
Nach der Führerscheinklausel hat der Versicherte als Lenker die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen Kraftfahrzeugs erforderlich ist, zu besitzen. Selbst, wenn daher für das gegenständliche Fahrzeug bzw. für die gegenständliche Fahrt nach dem Gesetz kein Führerschein erforderlich ist, kommt es nach der Führerscheinklausel darauf an, ob für ein „typengleiches Fahrzeug“ ein Führerschein erforderlich ist.
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