Die UNIQA Finanzvorsorge-Studie 2024, durchgeführt von Reppublika Research & Analytics, zeigt, wann sich junge Österreicher:innen finanziell erwachsen fühlen: Für die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen ist dies der Fall, wenn sie finanziell unabhängig oder aus dem Elternhaus ausgezogen sind. Als „finanziell erwachsen“ gilt, wer keine Unterstützung von der Familie benötigt. Positiv ist, dass sich immer mehr Menschen um ihre finanzielle Vorsorge kümmern. Allerdings gibt ein Drittel der Frauen an, nicht genug Geld dafür zu haben – deutlich mehr als bei den Männern. Die wichtigsten Zukunftswünsche der Jugend sind ein schuldenfreies Leben und Urlaube, weit vor Luxusartikeln.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 10.10.2024
René Knapp, Vorstand UNIQA Insurance Group AG:
"Junge Erwachsene haben ihr Leben vor sich, ihnen steht die Welt offen – und sie müssen und sollen ihren eigenen Weg finden. Und unabhängig davon, wann sich junge Menschen tatsächlich als erwachsen fühlen: Je früher man Verantwortung für seine finanzielle Zukunft übernimmt, desto besser – dafür möchten wir frühzeitig Bewusstsein wecken, ermutigen und auch dabei unterstützen."
Mehr als zwei Drittel der in Österreich lebenden Menschen (68%) sehen junge Menschen auch in finanzieller Hinsicht als erwachsen, wenn das eigenständige Finanzieren von Wohnen, Lebensmitteln, Mobilität und weiteren (Fix-)Ausgaben ohne regelmäßige finanzielle Zuschüsse von Eltern oder anderen Personen möglich ist. Dieser Aspekt ist Frauen besonders wichtig: Fast drei Viertel (73%) stimmen dem zu, während bei den befragten Männern nur weniger als zwei Drittel (64%) dieser Meinung sind. Hingegen ist für fast die Hälfte der Männer eine Vollzeitbeschäftigung eines der wesentlichsten Anzeichen für finanzielle Selbstständigkeit, aber nur für ein Drittel der Frauen (34%). Sie legen wiederum mehr Wert darauf, sich nicht für Freizeitgüter (wie z.B. Kleidung, Elektronik oder Reisen) zu verschulden (Frauen 47%, Männer 42%).
40% der jungen Erwachsenen können Leben selbst finanzieren
Drei Viertel (76%) der 18- bis 29-Jährigen beziehen ein Einkommen aus einer beruflichen Tätigkeit, 20% werden regelmäßig von ihren Eltern finanziell unterstützt. Vier von zehn der jungen Personen (39%) geben an, sich ihr Leben nach eigener Einschätzung komplett selbst finanzieren zu können. Ein weiteres Drittel (32%) sagt, sich das eigene Leben zum Großteil selbst finanzieren zu können. Nur knapp ein Zehntel der Befragten (9%) in der jungen Altersgruppe kann sich das Leben gar nicht selbst finanzieren, ein Fünftel (19%) gibt an, dass dies nur zum Teil möglich ist.
Finanzielle Verantwortung geht mit alten Rollenbildern einher
Knapp zwei Drittel der befragten jungen Erwachsenen fühlen sich (sehr) sicher beim Überblick über die eigenen Finanzen (64%) und bei der zeitgerechten Begleichung von notwendigen Zahlungen oder Rechnungen (63%). Beides gilt insbesondere für junge Frauen, sieben von zehn Befragte geben dies an (vs. Männer: 6 von 10 Personen). Wenn es um das Beurteilen und Vergleichen von Finanzangeboten geht, sinkt der Wert jedoch auf ca. ein Drittel (35%) – hier fühlen sich junge Männer (39%) aber noch sicherer als junge Frauen (30%).
Univ. Prof. Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik sowie des Zentrums für Finanzbildung an der Wirtschaftsuniversität Wien:
"Es zeigen sich offenbar noch immer alte Stereotypen. Frauen fühlen sich für das ‚daily money management‘, früher bekannt als die Haushaltskasse, und Männer für Kreditverträge, Anlageformen oder Ähnliches zuständig."
Top-Zukunftswünsche der jungen Menschen
Die drei größten Wünsche der befragten 16- bis 60-Jährigen für die Zukunft, was Materielles oder Finanzielles betrifft, sind ein schuldenfreies Leben (50%), den aktuellen Lebensstandard halten zu können (43%) und viele Urlaube bzw. Reisen unternehmen zu können (35%). 2% träumen von einem eigenen Boot.
Auch bei jungen Menschen steht das schuldenfreie Leben auf Platz 1 (43%). Überdurchschnittlich häufig wünschen sie sich genügend Geld, um die Familie unterstützen zu können (36%), Urlaube und Reisen stehen hoch im Kurs (35%), ebenso ein eigenes Haus mit Garten im Grünen (34%). Nur eine von zehn der jungen Personen (9%) wünscht sich Luxusartikel wie etwa Luxus-Kleidung oder -Accessoires oder teuren Schmuck, junge Frauen sogar tendenziell noch weniger (7%)
Finanzielle Vorsorge im Aufwind: Bewusstseinsbildung zeigt Wirkung
Finanzielle Vorsorge wird 2024 weiterhin als sehr wesentlich erachtet. Diese ist – wie auch schon 2023 – sieben von zehn (71%) der 16- bis 60-Jährigen wichtig. Vier von Zehn (39%) der Befragten haben sich auch schon intensiv mit der eigenen finanziellen Vorsorge beschäftigt. „Im Vergleich zum Vorjahr gibt es einen sichtbaren Anstieg, der sich sowohl unter Männern als auch unter Frauen und auch in der jungen Zielgruppe widerspiegelt, wobei Männer sich schon intensiver mit dem Thema beschäftigt haben als Frauen“, analysiert Martina Oberrauch, Studienleiterin und Senior Research Consultant bei Reppublika Research & Analytics. (2024 gesamt 39%, 2023 gesamt 30% / 2024 Männer 45%, 2023 Männer 33% / 2024 Frauen 34%, 2023 Frauen 27% / 2024 18-29-jährige 37%, 2023 18-29-jährige 32%).
Konkrete Vorsorgemaßnahmen nehmen zu
Der Anteil der Personen, die konkrete Maßnahmen für ihre finanzielle Vorsorge getroffen haben, ist von 37% auf 40% gestiegen, besonders unter Männern (von 40% auf 45%). Martina Oberrauch betont, dass dies der erste Anstieg seit Beginn der Studie im Jahr 2021 ist. Über ein Viertel (29%) der Befragten gibt jedoch an, zu wenig Geld für finanzielle Vorsorge zu haben, ein tendenzieller Rückgang im Vergleich zu 34% im Jahr 2024. Frauen berichten signifikant häufiger von Geldmangel für Vorsorge (34% vs. 25% bei Männern). Bettina Fuhrmann weist darauf hin, dass die Einkommensungleichheit Frauen bei der finanziellen Vorsorge benachteiligt und betont die Notwendigkeit, die Lohnschere zu schließen und gezielte Bildungsmaßnahmen für Frauen zu fördern.
Männer und Frauen setzen auf unterschiedliche Anlageformen
Am häufigsten genutzt werden Sparkonten bzw. Sparbücher (60%), gefolgt von Bargeld zuhause (38%) und privaten Lebens- bzw. Pensionsversicherungen (37%). Bei den Anlageformen zeigen sich aber auch geschlechterspezifische Unterschiede: Frauen setzen demnach häufiger auf Sparkonten bzw. Sparbücher (63% vs. Männer: 57%).Fondsparen (Männer: 27%, Frauen: 19%), Aktien (Männer: 28%, Frauen: 13%), Kryptowährungen (Männer: 16%, Frauen: 6%) und Anleihen (Männer: 12%, Frauen: 7%) werden von Männern häufiger verwendet als von Frauen. Die junge Zielgruppe setzt überdurchschnittlich häufig auf Kryptowährungen (14%, 16- bis 60-Jährige gesamt: 11%). Krypto ist auch bei jungen Männern (18%) deutlich beliebter als bei jungen Frauen (9%).
Männer schätzen eigenes Finanzwissen deutlich höher ein als Frauen
Nur etwa ein Viertel der Befragten schätzt ihr Wissen zu Finanz- und Veranlagungsthemen als (eher) hoch ein, mit einem leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, der vor allem auf Männer zurückzuführen ist. 32% der Männer bewerten ihr Wissen als (eher) hoch, während nur 15% der Frauen dasselbe sagen. Im Gegensatz dazu halten 35% der Frauen, aber nur 22% der Männer ihr Wissen für (eher) niedrig. Bettina Fuhrmann betont, dass die großen Unterschiede zwischen den Geschlechtern und die Nutzung von Kryptowährungen die Notwendigkeit einer fundierten Finanzbildung verdeutlichen. Es bestehen weiterhin Vorbehalte gegenüber dem Kapitalmarkt, während gleichzeitig in volatile Anlageformen investiert wird, was als „Überkompensation der Risikoaversion“ bezeichnet werden kann.
Foto oben: (v.l.n.r.) René Knapp (Vorstand für Personenversicherung bei UNIQA Insurance Group AG), Univ. Prof. Bettina Fuhrmann (Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik, Gründerin und Leiterin des Zentrums für Finanzbildung an der Wirtschaftsuniversität Wien) und Martina Oberrauch (Studienleiterin & Senior Research Consultant bei Reppublika Research & Analytics)
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren