Versicherungsbetrug ist kein Kavaliersdelikt – auch wenn ihn rund ein Viertel der Österreicher nicht als strafrechtliches Delikt sieht. Auf bis zu 500 Mio. Euro jährlich schätzt der Versicherungsverband VVO den Schaden.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 05.04.2017
Fingierte Verkehrsunfallserien, nachgewiesene Eigenbrandstiftungen und sogar Selbstverstümmelungen ― immer wieder ist in den Medien von aufsehenerregenden Gerichtsverfahren zu lesen, in denen überführte Versicherungsbetrüger zu hohen Strafen verurteilt werden. Freilich sind spektakuläre Fälle, die es vom Gerichtssaal auch bis in Chronik-Spalten der Tageszeitungen schaffen, die unrühmliche Ausnahme. Die kaputte Brille, das defekte Smartphone zum Erscheinungszeitpunkt des Nachfolgemodells oder die weniger plausible Schilderung des Unfallhergangs, um doch irgendwie an eine Versicherungsentschädigung zu kommen, sind da schon häufiger.
„Schäden durch Versicherungsbetrug schwächen nicht nur die wirtschaftliche Basis des jeweiligen Unternehmens, sondern führen so zu höheren Prämien für alle Versicherungsnehmer“, unterstreicht der Vorsitzende des Instituts für Versicherungswirtschaft, Oberösterreichische-Generaldirektor Dr. Josef Stockinger, die Tragweite dieses Problems, „es geht nicht um die Kriminalisierung der Kunden, sondern um den Schutz der Solidargemeinschaft vor schwarzen Schafen.“
„Volkssport“ Versicherungsbetrug
In einer Studie des Meinungsforschungsinstitutes Spectra aus dem Jahr 2011 sah rund ein Viertel der 1000 Befragten bei Versicherungsbetrug keinen Grund für strafrechtliche Sanktionen. Es würde ohnehin zu viel in den Prämientopf einbezahlt. Der „Betrug“ sei demnach „berechtigt“ und werde außerdem „von allen“ praktiziert, so ein mögliches Fazit.
Dieser Aussage stimmen laut einer Befragung der GfK Finanzmarktforschung auch 23% der Deutschen zu, berichtet Dr. Eberhard Fähnrich, Leiter Claims Management Services bei der Rückversicherungsgesellschaft Gen Re. Vier Prozent der Haushalte gaben dabei zu, innerhalb der letzten fünf Jahre Versicherungsbetrug begangen, sieben Prozent im gleichen Zeitraum zumindest davon erfahren zu haben.
500 Mio. Euro Schaden als gesamtgesellschaftliches Problem
In Österreich, wo keine offiziellen Statistiken vorliegen, darf eine ähnliche Situation angenommen werden. Der Leiter des Büros zur Bekämpfung von Versicherungsbetrug im österreichischen Versicherungsverband (VVO), Mag. Gerhard Janoch, geht von einem Anteil von sieben bis zehn Prozent über alle Sparten aus. Das gilt sowohl für die Anzahl der Schadensfälle, als auch für die Schadenssumme. Insgesamt dürfte laut Schätzungen des Versicherungsverbandes ein Schaden für die Volkswirtschaft von bis zu 500 Mio. Euro entstehen. „Der Großteil der Versicherungsbetrüger sind Amateurtäter, es gibt aber auch die Fälle durch organisierte Kriminalität, in der die Täter ihr Lebenseinkommen aus Versicherungsbetrug lukrieren“, betont Janoch.
Neue Herausforderungen – Datenschutz versus Tatenschutz
Eine mehr und mehr vernetzte Welt und steigender wirtschaftlicher Druck auf die Unternehmen machen Versicherungsbetrug bzw. –missbrauch zu einer stetig größer werdenden Herausforderung. Basierte die Betrugsabwehr in der Vergangenheit in erster Linie auf dem „richtigen Bauchgefühl“ der Schadensachbearbeiter, vertrauen heute mehr und mehr Versicherer auf moderne Erkennungssoftware. Die Software dient als Filter zur Vorsortierung, den einzelnen Betrugsfall bearbeiten aber Experten.
Foto (v.l.): Dr. Eberhard Fähnrich, Generaldirektor Dr. Josef Stockinger und Mag. Gerhard Janoch
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