Die Vorgangsweise bei Neuwertversicherungen ist eigentlich ein alter Hut: Zahlung des Zeitwerts – Wiedererrichtung – Zahlung der Neuwertspanne. Probleme gibt es, wenn einer der Beteiligten die Spielregeln nicht einhält. In OGH 7 Ob 162/21f vom 18.10.2021 war das der Versicherungsnehmer.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 27.01.2022
Von Dr. Wolfgang Reisinger (Foto)
Am 04.02.2017 zerstörte ein Großbrand das feuerversicherte Sägewerk zur Gänze. In den AVB war vereinbart, dass der Neuwert entschädigt wird, wenn gesichert ist, dass die Entschädigung zur Gänze zur Wiederherstellung bzw. Wiederbeschaffung verwendet wird. Am 20.01.2020 und somit kurz vor Ablauf der dreijährigen Frist beauftragte der VN „rechtsverbindlich und unwiderruflich“ ein Unternehmen mit der Errichtung zweier Hallen sowie ein zweites Unternehmen mit dem „Rohbau für Neubau Bergehalle und Neubauüberdachung-Baumeisterarbeiten“. Das zweite Unternehmen informierte er bereits im Vorfeld darüber, dass er „irgendeinen Auftrag“ für die Versicherung benötige. Weder der VN noch die Vertreter der beiden Unternehmen gingen von rechtsverbindlichen und unwiderruflichen Aufträgen aus. Es lag kein übereinstimmender Wille des VN und der Vertreter der Unternehmen vor, die darin angeführten Leistungen tatsächlich zu erbringen. Der Versicherer lehnte die Erbringung der Neuwertspanne ab, weil die Wiederherstellung nicht gesichert ist. Das Klagebegehren des VN wurde in allen Instanzen abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel ist die Begrenzung des subjektiven Risikos, das entstünde, wenn der VN die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden könnte. Wenn die Vorinstanzen davon ausgingen, dass schon mangels bindender Wiederherstellungsaufträge in Bezug auf die Gebäudeerrichtung an sich keine fristgerechte Sicherstellung der Wiederherstellung erfolgt sei, ist dies nicht korrekturbedürftig. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass vor dem Hintergrund der vom VN gewählten Vorgangsweise auch durch die Erteilung der Baubewilligung und durch die Bauanzeige nicht fristgerecht sichergestellt worden sei, dass er die Versicherungssumme nicht für frei bestimmbare Zwecke verwenden werde, ist gleichfalls nicht zu beanstanden.
Kommentar
Neuwertversicherungen sind State of the Art und aus der Praxis nicht mehr wegzudenken. Damit es nicht zu einer in der Schadenversicherung generell verpönten Bereicherung des VN in Geld kommt, hat sich in Judikatur und Praxis eine sinnvolle Vorgangsweise eingespielt: Bei Vereinbarung einer Wiederherstellungsklausel entsteht im Versicherungsfall zunächst nur ein Anspruch auf den Zeitwert (mit dem der VN machen kann, was er will) und der Restanspruch auf den Neuwert ist von der Wiederherstellung oder deren fristgerechter Sicherung abhängig. Nach der ständigen Judikatur sind die Vorlage von Kostenvoranschlägen, Absichtserklärungen des VN, die bloße Planung oder eine bloß behelfsmäßige Reparatur für die Sicherung der Wiederherstellung nicht ausreichend. Die Vorgangsweise des VN, Scheinaufträge zu erteilen, um in den Genuss der Neuwertspanne zu kommen, ist natürlich bedenklich. Dafür spricht auch die Vorgangsweise des VN, kurz nach Ablauf der 3-Jahresfrist die gegenüber den beiden Unternehmen erteilten Aufträge inhaltlich zu ändern und die Auftragssummen erheblich zu reduzieren. Symptomatisch ist auch auf einer Nebenfront, dass der VN rund 20.000 Euro an Mehrkosten aufgrund behördlicher Auflagen und an Bauzusatzkosten verlangte, jedoch nicht nachweisen konnte, dass er diese Beträge bereits bezahlt hat.
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Titelbild: ©MATHAYWARDPHOTO.COM – stock.adobe.com
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