„Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass der Kunde Versicherungen zu hundert Prozent analog einkaufen möchte“, betont Zurich-Vorstand Kurt Möller im Interview mit AssCompact. „Komfort-Kriterien“ seien heute mindestens genauso wichtig wie der Preis.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 23.10.2019
„Der größte Einfluss ist mit Sicherheit vom veränderten Kundenverhalten und den neuen Kundenerwartungen ausgegangen“, blickt Kurt Möller auf bisher zwölf Jahre im Vorstand der Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft zurück. Der Kunde möchte heute die Interaktion zum Versicherer steuern können. „Wenn früher das Preis-Leistungs-Verhältnis das wichtigste Kriterium für den Abschluss der Versicherung war, so sind die Komfort-Kriterien mittlerweile genauso wichtig geworden. Wer nicht schnell und transparent ist, wer also kompliziert ist, kann beim besten Preis-Leistungs-Verhältnis oft nicht mehr zum Zug kommen.“
„Vorstand-Sein ist anderer Job geworden“
Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise und die Niedrigzinsen habe sich der Beratungsansatz in der Lebensversicherung „völlig verkehrt“, so Möller, als Vorstand verantwortlich für Versicherungstechnik Schaden-Unfall und Leben. „Wenn wir früher mit einer Rendite bei Abschluss argumentiert haben, dann argumentieren wir jetzt ganz anders und besinnen uns auf das, was die Lebensversicherung besser kann als andere Produkte: Ablebensrisiko, lebenslange Rente, biometrische Risiken.“ Nicht zuletzt habe sich das regulatorische Umfeld stark geändert. „Wenn ich vergleiche, wie eine Vorstandssitzung vor zehn Jahren abgelaufen ist, welche Themen dort dominiert haben, und wie das heute ist, dann ist Vorstand-Sein ein anderer Job geworden.“
„Distanziert“ und „ein bisschen altmodisch“
Auch der Wettbewerb sei anspruchsvoller geworden. „Die Kundenerwartungen treffen auf eine Branche mit viel Tradition. Das verleitet vielleicht auch zu einer gewissen Behäbigkeit“, meint Möller. „Wir sind ja eine eher distanzierte Branche mit durchschnittlich zwei Kundenkontakten pro Jahr. Wir sind auch ein bisschen altmodisch und bieten weniger als zehn Prozent unserer Services digital an. Die Kundenerwartungen sind dramatisch höher. Gleichzeitig entstehen rein digitale Versicherer, jede Menge von digitalen Start-ups und die ersten digitalen Makler. Dieses Spannungsfeld wird künftig noch viel stärker den Wettbewerb prägen.“
„Müssen weg von der reinen Produktsicht“
Daher seien Versicherer im Bereich digitaler Services gefordert. „Wir müssen weg von der reinen Produktsicht, digitaler werden und Services verstärken. Dabei müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass der Kunde Versicherungen zu hundert Prozent analog einkaufen möchte, während er alles andere zunehmend digital einkauft.“ Alle Studien und Gespräche würden darauf hindeuten, dass der Kunde sehr wohl differenzieren könne zwischen einem einfachen Produkt, das er am liebsten selbst am Handy abschließt, und einem beratungsintensiven Produkt. „Deswegen geht es auch nicht um das eine oder das andere, sondern um eine intelligente Verknüpfung von beiden. Diejenigen, und das gilt für Versicherer wie für Makler gleichermaßen, die das am besten hinkriegen und den Kunden entscheiden lassen, bei welchem Touchpoint er digital und bei welchem er analog sein möchte, werden am erfolgreichsten sein.“
Das Vorstandsinterview lesen Sie in der AssCompact November-Ausgabe.
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