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Österreichische Hagelversicherung fordert altes Denken in der Raumplanung zu beenden

Österreichische Hagelversicherung fordert altes Denken in der Raumplanung zu beenden

25. Juli 2022

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6 Min. Lesezeit

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News-Management & Wissen

Im Jahr 2002 wurde in der Nachhaltigkeitsstrategie der damaligen Bundesregierung der Zielwert des täglichen Bodenverbrauchs mit 2,5 Hektar pro Tag festgelegt. Täglich werden allerdings nach wie vor 11,5 Hektar Äcker und Wiesen durch Verbauung zerstört. Anlässlich eines Pressegesprächs über die zunehmenden Hitzetage in Österreich und deren problematischen Auswirkungen fordern Klimatologe und die Österreichische Hagelversicherung altes Denken in der Raumplanung zu beenden.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 25.07.2022

„Österreich ist nach wie vor Europameister im negativen Sinn, was die tägliche Verbauung für Straßen, Gewerbeflächen oder Einkaufszentren betrifft“, so Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. „Gleichzeitig haben wir aber in Österreich mit 1,67 m² die größte Supermarktfläche pro Kopf, mit 15 m pro Kopf das längste Straßennetz und auf der anderen Seite stehen Immobilien in der Größenordnung der Stadt Wien (= 40.000 Hektar) leer. Angesichts dieser Fakten gilt es, dass 2,5-Hektar-Ziel der Bundesregierung, verankert auch im Regierungsübereinkommen, rasch umzusetzen. Das Thema ‚Stopp dem Bodenverbrauch‘ muss oberste Priorität für Österreich haben. Die Länder als Verantwortliche in der Gesetzgebung in puncto Raumordnung sind daher gefordert, rasch Maßnahmen zu setzen. Ansonsten wird es in der Bundeshymne in absehbarer Zeit heißen: Österreich ein Land ohne Äcker zukunftslos.“

Mehr Rücksicht auf Hitzewellen in der Stadtplanung ist gefragt

„Schöne große Plätze, oft gepflastert oder betoniert: Auf den ersten Blick autofreie Fußgängerzonen in Innenstädten. Auf den zweiten Blick im Sommer extreme Hitzeinseln und alles andere als klimafit. Die Zubetonierung von Innenstädten hat zur Folge, dass sich diese immer weiter aufheizen. Versiegelte Flächen können Temperaturen bis zu 50 Grad erreichen, dunkel asphaltierte Flächen sogar bis zu 70 Grad. Fakt ist jedoch, dass die Städte mehr Naturraum brauchen, wenn man der Hitze etwas entgegensetzen will. In der Stadtplanung müssen sowohl beim Bestand als auch beim Neubau große begrünte Flächen mitgedacht werden, weil dort lokal Kaltluft entstehen kann und diese für Abkühlung sorgt. Im Umland von Städten produzieren Wälder, Äcker und Wiesen Kaltluft, die bis in die Innenstädte hineinwirkt. In den Städten ist die Oberflächentemperatur bei begrünten Flächen, die auch genügend Wasser zur Verfügung haben, viel geringer – oftmals sogar so gering wie die Lufttemperatur. Für die Bewohnerinnen und Bewohner also weit erträglicher. Und im Schatten eines Baumes wirkt auch noch die Verdunstungskälte. Somit ist in unversiegelten, begrünten Bereichen die gefühlte Temperatur um vieles angenehmer. Die Hitze unter Tags also viel besser auszuhalten. Aktuell sind unsere Städte aber nicht für den Klimawandel gerüstet. Viele wurden für ein anderes, kühleres Klima gebaut, Grünflächen, wie Felder, wurden durch Verbauung zerstört. Daher ist es unbedingt nötig, in der Stadtplanung mehr Rücksicht auf Hitzewellen zu nehmen und mit dem jeweils passenden Mix aus Maßnahmen unsere Städte ans neue, heißere Klima anzupassen. Die etwa auch für die Kaltluftproduktion verbliebenen Äcker und Wiesen müssen sofort vor Verbauung geschützt werden“, so Mag. Simon Tschannett, Meteorologe, Stadtklimatologe und Geschäftsführer Weatherpark GmbH, der sich für mehr Naturraum in und um Städten (Stichwort Speckgürtel) ausspricht.

Umfassendes Maßnahmenbündel für weniger Bodenverbrauch notwendig

Um das 2,5-Hektar-Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Lösungsansätze. Diese Maßnahmen sind auch geeignet, um die Schönheit Österreichs weiterhin zu bewahren, das Klima und die Umwelt zu schützen, die Biodiversität aufrechtzuerhalten, die Lebensmittelversorgung auch weiterhin sicherzustellen und um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken:

• Laut Umweltbundesamt gibt es in Österreich 40.000 Hektar leerstehende Gewerbe-, Industrie- und Wohnimmobilien (das entspricht der Fläche der Stadt Wien). Eine Revitalisierung dieser Brachflächen ist aber finanziell aufwendiger als ein Neubau auf der grünen Wiese. Daher braucht es monetäre Anreizsysteme für eine Revitalisierungsoffensive leerstehender Immobilien.

  • Innenentwicklung vor Außenentwicklung: Baulandausweisungen sollen nur noch dann genehmigt werden, wenn die betreffende Gemeinde nachweisen kann, dass keine angemessenen Innenentwicklungspotentiale verfügbar sind.
  • Schutz besonders wertvoller Flächen (landwirtschaftlicher Vorrangflächen), wie am Beispiel der Schweiz, wo die produktivsten Landwirtschaftsböden für die Ernährungssicherung der Bevölkerung gesetzlich vor Verbauung geschützt sind.
  • Vermehrtes Bauen in die Höhe und in die Tiefe
  • Ausbau des öffentlichen Verkehrs, da dieser weniger Fläche in Anspruch nimmt.

„Neben diesem Maßnahmenbündel braucht es auch ein volkswirtschaftliches Umdenken. Nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur. Daher müssen wir die Natur schützen und endlich einen Wandel hin zu einem intelligenteren Wirtschaftsdenken einleiten. Unbegrenztes Wirtschaftswachstum mit Gewinnmaximierung zu Lasten der Natur ist heute nicht mehr zeitgemäß. Das ist altes Denken. Daher dürfen wir den Wohlstand einer Gesellschaft nicht allein an einer einzigen Kennzahl, dem Bruttoinlandsprodukt, bemessen. Wirtschaft muss neu gedacht werden! Wir müssen in die jährliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auch die Kennzahl Naturkapital aufnehmen“, so Weinberger.

Foto oben v.l.: Mag. Simon Tschannett, Meteorologe, Stadtklimatologe und Geschäftsführer Weatherpark GmbH und Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung

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