Eine Versicherungsnehmerin erlitt 2017 einen Sehnenriss, der auf degenerative Veränderungen aufgrund ihres seit 1998 bestehenden Morbus Parkinson zurückzuführen war. Im Gerichtsverfahren war strittig, ob und wie stark der Unfallversicherer diese degenerativen Veränderungen vom Leistungsanspruch abziehen durfte, da die Versicherungsbedingungen bei krankheitsbedingten Einflüssen eine Leistungskürzung vorsehen. (7 Ob 3/24b)
Artikel von:
Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Die Versicherungsnehmer hat beim Versicherer einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen. Die zugrunde liegenden Bedingungen (UB00) lauten auszugsweise wie folgt:
„Was ist ein Unfall? – Artikel 6
1. Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzliches von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.
2. Als Unfall gelten auch folgende Ereignisse:
Verrenkungen von Gliedern sowie Verzerrungen und Zerreißungen von Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bänder und Kapseln sowie Meniskusverletzungen.
Hinsichtlich krankhaft abnützungsbedingter Einflüsse finden insbesondere Art 21 Pkt 3, Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes, Anwendung.
[...]
Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes – Artikel 21
1. Eine Versicherungsleistung wird von uns nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht.
2. Bei der Bemessung des Invaliditätsgrades wird ein Abzug in Höhe einer Vorinvalidität nur vorgenommen, wenn durch den Unfall eine körperliche oder geistige Funktion betroffen ist, die schon vorher beeinträchtigt war. Die Vorinvalidität wird nach Art 7 „Dauernde Invalidität“ Pkt 2 und 3 bemessen.
3. Haben Krankheiten oder Gebrechen, bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung – insbesondere solche Verletzungen, die durch krankhaft abnützungsbedingte Einflüsse verursacht oder mitverursacht worden sind – oder deren Folgen mitgewirkt, ist im Fall einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, ansonsten die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens, zu vermindern, wenn dieser Anteil mindestens 25 % beträgt. Das gilt insbesondere auch, wenn die Gesundheitsschädigung durch einen abnützungsbedingten Einfluss mit Krankheitswert, wie beispielsweise Arthrose, mitverursacht worden ist. [...]“
Die Versicherungsnehmerin leidet seit 1998 an einem atypischen Morbus Parkinson. Bei dieser Erkrankung kommt es zu keinen Veränderungen des muskuloskelettalen Apparats. Die Versicherungsnehmerin erlitt 2017 einen spontanen Riss der Peroneussehne. Dieser Riss war zu 100 % auf degenerative Veränderungen zurückzuführen, die aufgrund der mit dem Morbus Parkinson verbundenen Gangstörung bestanden.
Im Verfahren war strittig, ob und in welchem Ausmaß der Versicherer die degenerativen Veränderungen vom Leistungsanspruch abziehen durfte.
Wie ist die Rechtslage?
Der OGH führt in seiner darüber getroffenen Entscheidung vom 6.3.2024, 7 Ob 3/24b aus, dass Art 21.3 UB00 der anwendbaren Bedingungen so zu verstehen sei, dass unfallfremde Krankheiten oder Gebrechen grundsätzlich zur Kürzung des Anspruchs oder zu einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen. Dabei werde allein auf die Mitwirkung der Krankheiten oder Gebrechen auf die Unfallfolgen abgestellt, und nicht darauf, ob beim Unfallereignis selbst Vorerkrankungen mitgewirkt haben. Der OGH hatte also zu prüfen, ob eine Leistungskürzung iSd Art 21.3 UB00 auch bei einer Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an einer versicherten Verletzung vorzunehmen sei. Er bejahte diese Frage, da bereits Art 6.2 UB00 ausdrücklich darauf hinweise, dass hinsichtlich krankhaft abnützungsbedingter Einflüsse Art 21.3 UB00 Anwendung findet.
Im vorliegenden Fall sei die nach Art 6.2 UB00 versicherte Verletzung der Versicherungsnehmerin (Riss der Peroneussehne) zu 100 % durch die vom Morbus Parkinson (Krankheit) verursachten chronisch-degenerativen Veränderungen (Gebrechen) bewirkt. Aufgrund der damit vorliegenden 100%igen Mitwirkung an der versicherten Verletzung – und damit zwingend an einer dadurch hervorgerufenen dauernden Invalidität – bestehe kein Versicherungsschutz.
Schlussfolgerungen
Vorerkrankungen führen auch dann zur Leistungskürzung bzw zum gänzlichen Entfall des Versicherungsschutzes, wenn diese zwar den Unfall nicht unmittelbar verursacht, diese am Unfall jedoch mitgewirkt haben. Lediglich Vorschäden, die innerhalb des altersbedingten Normzustands liegen, führen zu keiner Leistungskürzung.
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