Mit einem Anteil von 29,5% ist Ablenkung die häufigste Ursache von Straßenverkehrsunfällen mit Personenschaden, noch vor Geschwindigkeitsübertretungen. Wie eine Studie des Allianz Zentrums für Technik (AZT) nun zeigt, ist vor allem die Nutzung moderner Technik als Quelle der Ablenkung in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 02.03.2023
Christoph Marek, Vorstand Versicherungstechnik der Allianz Österreich:
"Das Unfallrisiko erhöht sich durch die Bedienung moderner Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komforttechniken um die Hälfte. Dennoch erfährt die Ablenkung am Steuer immer noch nicht die soziale Ächtung, die zum Beispiel dem Autofahren im alkoholisierten Zustand entgegengebracht wird."
Im Gegenteil: Heutzutage empfinden immer mehr Autofahrer:innen die Nutzung technischer Funktionen, die nicht der Fahrzeugführung dienen, geradezu als selbstverständlich. Ihre Verfügbarkeit und Komplexität steigt immer weiter an – seien es verbaute Geräte wie der Bordcomputer oder mobile Geräte wie das Handy. Kern des Problems sei, dass vielen Fahrer:innen die Gefahr zwar bekannt ist, diese Einsicht aber fatalerweise nicht auf den Fahralltag übertragen wird.
130.000 Handyverstöße pro Jahr beim Autofahren
Im Fokus der Aufmerksamkeit der Verkehrsforscher:innen steht insbesondere das Handy, das während der Fahrt nunmehr häufiger zum Texten als zum Telefonieren verwendet wird. Dementsprechend wurden in Österreich zuletzt fast 130.000 Handyverstöße pro Jahr beim Autofahren registriert.
Christoph Lauterwasser, Leiter des AZT.
"Die neue Allianz Studie zeigt, dass sich der Anteil an Autofahrer:innen, die das Mobiltelefon in die Hand nehmen und eine Textnachricht schreiben oder lesen, zwischen 2016 und 2022 von 15 auf 24 Prozent – also um fast zwei Drittel – erhöht hat. Diese Entwicklung ist besorgniserregend und gefährlich. Das Handy oder ein elektronisches Gerät werde zudem immer öfter zum Spielen, Musikauswählen, Bilderansehen oder Websurfen während der Fahrt genutzt."
Hinweis der Redaktion: Die österreichische Bundesregierung hat am Mittwoch (01.03.2023) beschlossen, dass ab Mai 2023 die Strafe bei Handyverstoß am Steuer doppelt so teuer werden soll. Anstatt 50 Euro soll diese auf 100 Euro erhöht werden (Organstrafverfügung). Sollte es zu einer Anzeige an die Behörde kommen, so wird die von der Behörde zu verhängende Geldstrafe von 72 Euro auf 140 Euro erhöht.
Ablenkung durch den Bordcomputer
Seit 2016 ist der Anteil der Fahrzeuge mit einem zentralen Sichtfelddisplay zur Bedienung von Kommunikations-, Unterhaltungs- und Komfortfunktionen von einem Drittel auf fast 50% gestiegen. Rund die Hälfte der Befragten bestätigten in der Allianz Studie, durch die Bedienung des Bordcomputers abgelenkt zu werden. Das Unfallrisiko erhöht sich dadurch um 44%. Einige Funktionen sind besonders riskant: Wer beispielsweise dem Spurhalteassistenten die Fahraufgabe übergibt und die Zeit für andere Dinge nutzt, erhöht sein Unfallrisiko um 56%. Wird das Autoradio über den Bordcomputer bedient, verdoppelt sich das Risiko nahezu (89%).
Besonders ablenkungsgefährdet sind Fahrzeuglenker:innen zwischen 18 bis 24 Jahren
So geben 30% der Autofahrer:innen dieser Altersgruppe an, während der Fahrt mit dem Mobiltelefon in der Hand zu telefonieren (zum Vergleich: gesamt tun dies 16% der Autofahrer:innen). Bereits die Hälfte der jungen Lenker:innen tippt und/oder liest während der Fahrt elektronische Nachrichten mit dem Handy in der Hand.
Präventive Überwachung stößt auf Ablehnung
Einer elektronischen Lenker:innen-Überwachung durch Innenraum-Sensorik („Driver Monitoring“) steht die Mehrheit der Befragten skeptisch gegenüber. 39% der Befragten stimmen einer Kamera- bzw. Infrarotabtastung von Augen, Gesicht bzw. Kopf zu.
Jörg Kubitzki, Sicherheitsforscher im AZT und Autor der Allianz Studie:
"Für das Driver Monitoring besteht noch Überzeugungsbedarf. Es soll dabei nicht um Bevormundung gehen, sondern um Unterstützung. Die modernen Fahrzeug- und Verkehrstechniken ermöglichen es, bei Ablenkung zu warnen. Schon diese Rückmeldung kann zu einer positiven Verhaltensänderung beitragen – das sollten wir nutzen, um den Straßenverkehr für uns alle sicherer zu machen."
Über die Studie
Für die aktuelle Studie führte das Allianz Zentrum für Technik (AZT) gemeinsam mit der Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH (GIM) eine Repräsentativerhebung unter 1.202 Pkw-Fahrer:innen in Deutschland durch.
Foto oben: Christoph Marek, Vorstand Versicherungstechnik der Allianz Österreich:
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