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AssCompact Roundtable: Die Zukunft der Schadenabwicklung in der Versicherungsbranche

AssCompact Roundtable: Die Zukunft der Schadenabwicklung in der Versicherungsbranche

07. November 2024

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9 Min. Lesezeit

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Recht & Wissen

Im zweiten Teil des Beitrages zum AssCompact Roundtable „Die Zukunft der Schadenabwicklung“ werden Herausforderungen bei Bagatellschäden und die Rolle von Sachverständigen sowie technologische Aspekte der Versicherungsbranche behandelt. Die Inhalte der Diskussionsrunde werden am 21. November 2024 beim AssCompact Schadensymposium in Wien/Vösendorf vertieft. Jetzt anmelden und fünf unabhängige IDD-Weiterbildungsstunden sichern!

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 11/7/2024

Die Rolle von Bagatellschäden und Sachverständigen

Helmut Tenschert führte im Anschluss zum nächsten wichtigen Punkt: den Bagatellschäden. „Kunden stehen Bagatellschäden oft skeptisch gegenüber, weil sie diese als zu geringfügig und die Abwicklung als zu kompliziert empfinden. Das Problem wird durch niedrige Prämien verschärft, da viele Versicherungsverträge nicht genügend Mittel bieten, um Schäden angemessen abzudecken. Dadurch werden Sachverständige oft unklar oder unvollständig beauftragt, was zu ineffizienten und teuren Prozessen führt. Diese Ineffizienzen verstärken das Misstrauen der Kunden, da sie das Gefühl haben, dass ihre Versicherung nicht effektiv oder fair arbeitet.“

Katharina Freingruber griff diesen Punkt auf und wies darauf hin, dass die vielen Schreibtischgutachten die Arbeit der Schadenbearbeiter verlangsamen. „Diese Gutachten bringen oft keine klaren Ergebnisse und sorgen für Verzögerungen,“ erklärte sie, was die Effizienz der Schadenbearbeitung beeinträchtige. Reinhard Seehofer unterstrich die Notwendigkeit präziser und detaillierter Aufträge an Sachverständige, obwohl dies die Bearbeitung verzögere. „Die Technologisierung erschwert die Schadenbeurteilung, weil Kunden oft nicht genau wissen, was kaputt ist,“ sagte Seehofer. „Das bedeutet, dass moderne Technologien zwar Prozesse beschleunigen, aber es schwieriger wird, Schäden korrekt einzuschätzen, wenn den Kunden das technische Verständnis fehlt. Um effizient zu bleiben, müssen wir eine Balance finden: Wir brauchen genaue Informationen, aber die Abläufe dürfen nicht zu lange dauern.“
Eva Michalek sprach über das Kapazitätsproblem und die Belastung der Sachverständigen. „Lange Abwicklungszeiten sind problematisch, und es gibt keine einfache Lösung,“ sagte sie. Michalek hob auch die Bedeutung der Prävention hervor, insbesondere bei hausgemachten Verstopfungsschäden. Stefan Hackl, Schadenservice-Leiter der Helvetia, argumentierte, dass ein Selbstbehalt präventiv wirken und den Kunden sensibilisieren könnte. Dies würde die Anzahl der gemeldeten Bagatellschäden reduzieren und die Effizienz steigern. „Die Ausbildung der Mitarbeiter ist ebenfalls wichtig, damit diese nicht alles an Sachverständige auslagern,“ betonte Hackl.

Peter Zorn brachte einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein: Kunden mit teureren Autos oder Häusern seien eher bereit, höhere Selbstbehalte zu akzeptieren. „Eine Staffelung der Selbstbehalte nach dem Wert des versicherten Objekts könnte den Versicherungsprozess effizienter gestalten und die Bearbeitung kleinerer Schäden reduzieren,“ erklärte Zorn.
Die Diskussion zeigte auf, dass Bagatellschäden und die Beauftragung von Sachverständigen für kleine Schäden ein großes Problem darstellen. Es wurde ausdrücklich betont, dass eine klare Kommunikation mit den Kunden, präventive Maßnahmen wie Selbstbehalte und die Ausbildung der Mitarbeiter notwendig sind, um die Effizienz der Schadenbearbeitung zu verbessern. Eine Anpassung der Prämien und Deckungen könnte ebenfalls erforderlich sein, um die Ertragsprobleme zu lösen. Es wurde erkannt, dass eine gemeinsame Anstrengung der Versicherungsbranche, der Sachverständigen und der Kunden notwendig ist, um diese Herausforderungen zu bewältigen.

Droht der Branche Gefahr von aus der Richtung der großen Technologie-Konzerne?

Ernst Vallant warf die Frage auf, welche Maßnahmen die Versicherungsbranche in Österreich ergreifen kann, um zu verhindern, dass Technologiekonzerne wie Amazon den Markt dominieren, und wie die Branche technologisch mithalten kann. Stefan Hackl äußerte hierzu seine Zweifel daran, dass z. B. Amazon in Österreich ein Versicherungsunternehmen aufbauen will. „Amazon ist wegen der strengen Regulatoren und der geringen Margen im Versicherungsbereich nicht interessiert. Von 100 Euro bleiben oft nur 2 bis 7 Euro übrig – das interessiert Amazon sicher nicht,“ erklärte Hackl. Helmut Tenschert ergänzte, dass das Konzept des Versicherns neu definiert werden müsse, da das bisherige Modell nicht mehr funktioniere. Hackl stimmte zu und betonte, dass sich die Branche vom reinen Zahler zum Kümmerer entwickeln müsse. Barbara Leithner wies darauf hin, dass die Versicherungsbranche sich selektiv neu erfinden müsse. „Als Schadensanierer sehe ich, dass wir noch nicht so weit sind, alles digital zu lösen. Airlines und Banken haben sich revolutioniert – kaum jemand hat noch einen Bankbetreuer. Aber das O hat 10 bis 15 Jahre gedauert,“ sagte Leithner. Sie stellte die Frage in den Raum, ob die Branche kurzfristige oder langfristige Lösungen anstreben solle. „Apps sind schwierig, weil sie selten gebraucht werden. Technologien wie Microsoft Outlook funktionieren, weil sie täglich genutzt werden,“ fügte sie hinzu. Es sei notwendig, sich stärker mit Technologie auseinanderzusetzen und zu überlegen, ob kurzfristige Lösungen oder langfristige Veränderungen wie bei den Banken angestrebt werden sollten. Alexander Punzl brachte ein Beispiel aus der Praxis ein: „Bei der UNIQA-Krankenversicherung wird KI genutzt, um Apothekenrechnungen automatisch zu verarbeiten. Solche Technologien müssen weiterentwickelt werden, um auch Bagatellschäden schneller und digital abzuwickeln,“ erklärte er.

Reinhard Seehofer betonte die besondere Herausforderung bei Umweltschäden, wo überhöhte Schadensmengen ein Problem darstellen. „Digitalisierung im Verbund mit Maklern, Sanierern, Reparierern und Schadenreferenten könnte die Prozesse beschleunigen. Aber ohne menschlichen Einsatz sehe ich momentan keinen Weg, um das Fundamentalproblem zu lösen,“ sagte Seehofer. Milan Rajec plädierte für eine einfache plattformbasierte Lösung bei der digitalen Schadenabwicklung. „Eine Bank-App nutze ich, weil ich sie täglich brauche, aber eine Versicherungs-App benötige ich nur selten. Es wäre besser, die Schadenabwicklung direkt über eine Plattform anzubieten. Ich bin überzeugt, dass die Leute eine Schadenmeldung eher digital durchführen würden, wenn sie keine separate App herunterladen müssen, die sie nur im Schadensfall brauchen.“

Wichtiger sei, dass Kunden Schadenmeldungen schnell und einfach online einreichen können. „Technologien wie KI, die Betrug erkennen, sind vorhanden und sollten genutzt werden. Der Anteil der online eingereichten Schadenmeldungen liegt bei 50–70%, aber die Weiterverarbeitung, wie das Einreichen von Fotos, ist noch gering. Hier gibt es Potenzial zur Verbesserung,“ fügte er hinzu.

Es entstand das Bild, dass die Versicherungsbranche in Österreich technologisch aufholen muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies erfordert sowohl kurzfristige Lösungen zur Effizienzsteigerung als auch langfristige Veränderungen hin zu umfassender Digitalisierung. Essenziell ist die klare Kommunikation und Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Die Integration von KI und digitalen Plattformen könnte die Bearbeitung von Schadenfällen beschleunigen, während der menschliche Faktor weiterhin eine entscheidende Rolle spielt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des AssCompact Roundtables:

  • Freinguber, Katharina – Geschäftsführerin der CREDO Versicherungsmakler GmbH
  • Hackl, Stefan – Schadenservice-Leiter der Helvetia
  • Kainz, Daniela – Geschäftsführende Gesellschafterin der VerCon Wirtschaftsberatung GmbH
  • Leithner, Barbara – Geschäftsführerin bei BELFOR
  • Michalek, Eva – Leiterin der Abteilung Spezialschaden bei der Wiener Städtischen
  • Punzl, Alexander – Vize- und Ehrenpräsident des ÖVM
  • Rajec, Milan – Head of Claims bei der Allianz
  • Seehofer, Reinhard – Head of Claims bei der Generali
  • Sponer, Jürgen – Experte für Schadenabwicklung
  • Tenschert, Dr. Helmut – Versicherungsexperte und Diskussionsleiter
    Zorn, Peter – Vorstandsmitglied des IGV

Hier geht's zum 1. Teil des Beitrages ...

AssCompact Schadensymposium 2024

AssCompact Roundtable: Die Zukunft der Schadenabwicklung in der Versicherungsbranche

Inhalte dieser Diskussion werden beim AssCompact Schadensymposium 2024 vertieft. Das AssCompact Schadensymposium findet am Donnerstag, 21. November 2024 in Wien/Vösendorf. Bei hochkarätigen Vorträgen von Branchenprofis können sich die Fachbesucher vertiefendes Wissen im Schadenbereich aneignen und gleichzeitig wertvolle UNABHÄNGIGE IDD Weiterbildungsstunden sammeln.

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