Mit dem Kraftfahr-Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2023 gab es eine bisher wenig beachtete, aber potenziell katastrophale Änderung des KHVG.
Artikel von:
Balázs Rudolf, MA
Geschäftsführer der Sirus Versicherungsmakler GmbH und ÖVM Mitglied
Gesetzesänderung mit Folgen
§ 4 KHVG regelt, was ein Versicherer aus der Kfz-Haftpflichtversicherung ausschließen darf (wobei er auch weniger ausschließen kann). Konnte man bisher laut § 4 Pkt. 1.4 nur die Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle ausschließen, führt der neue Pkt. 1.4 mE zu einem deutlich umfangreicheren Ausschluss.
KHVG § 4 (1) Von der Versicherung dürfen nur ausgeschlossen werden
Früher:
4. Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeuges als ortsgebundene Kraftquelle oder zu ähnlichen Zwecken.
Neu:
Ersatzansprüche aus der Verwendung des versicherten Fahrzeugs, wenn diese Verwendung im Unfallzeitpunkt nicht seiner Funktion als Beförderungsmittel entspricht, unabhängig von den Merkmalen des Fahrzeugs und unabhängig von dem Gelände, auf dem das Fahrzeug verwendet wird, und der Tatsache, ob es sich in Bewegung befindet oder nicht;
Dabei war das Ziel der KraftVerÄG 2023 keineswegs, den Deckungsumfang der Kfz-Haftpflichtversicherung auszuhöhlen. In erster Linie sollte der Verkehrsopferschutz des Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetzes verbessert werden. Damit einher gingen auch Harmonisierungen der Begrifflichkeiten und Definitionen, welche zu der – mE extrem problematischen – Änderung des § 4 KHVG geführt haben.
Der VVO hat seine Musterbedingungen bereits geändert und den bisherigen Ausschluss für ortsgebundene Kraftquellen durch die neue Formulierung aus dem KHVG ersetzt, und etliche Versicherer haben ihre Hausbedingungen bereits nachgezogen.
Klaffende Lücke zwischen Kfz- und Betriebshaftpflicht
Das große Problem: Die AHVB – also die Betriebshaftpflicht-Bedingungen – wurden nicht angepasst. Dort sind Kfz, die ein Kennzeichen tragen oder tragen müssten, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Deckung gibt es nur bei Verwendung als ortsgebundene Kraftquelle.
Judikatur zum neuen Ausschluss gibt es noch keine, aber dem Wortlaut nach geht er meiner Einschätzung nach deutlich weiter als bisher. In Zukunft werden wir mit Versicherern darüber streiten müssen, ob (kennzeichentragende) Bagger beim Graben, Kehrmaschinen bei der Straßenreinigung oder Mähdrescher bei Feldarbeiten noch ihrer „Funktion als Beförderungsmittel entsprechen“ und somit von den AKHB umfasst ist.
Denn eine „ortsgebundene Kraftquelle“ – und nur dann in der Betriebshaftpflicht versichert – sind sie definitiv nicht.
Der OGH hat bereits mehrfach festgestellt, dass es zwischen AKHB und AHVB sowohl zu Überschneidungen als auch Lücken kommen kann. Letzteres war aber bisher sehr selten der Fall, so dass wir uns mit einiger Sicherheit darauf verlassen konnten, mit Abschluss von Kfz-Haftpflicht und Betriebshaftpflicht für einen umfassenden Schutz zu sorgen. Auch wenn es immer wieder zu Streitigkeiten darüber kommt, welcher der beiden Versicherer decken muss – dass einer der beiden deckt, war relativ klar.
Keine Lösung in Sicht
Eine befriedigende Lösung ist für die Versichertengemeinschaft noch nicht in Sicht. Ein Einschluss in den AHVB wäre die einfachste Lösung, aber erfahrungsgemäß nur schwer auszuhandeln. Die übliche Deckungserweiterung „Arbeitsmaschinenklausel“ hilft hier ebenfalls nicht weiter, da sie nur das kurzfristige Befahren öffentlicher Verkehrsflächen von Fahrzeugen umfasst, die kein Kennzeichen tragen. Sie gilt weder für nicht-öffentliche Verkehrsflächen, noch für Fahrzeuge, die ein Kennzeichen tragen.
Ohne eine Sonderlösung im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung sollte man bei entsprechenden Fahrzeugen – insbesondere Arbeitsmaschinen – derzeit also zu einem Kfz-Versicherer greifen, der seine AKHB nicht angepasst hat. Oder sich schriftlich bestätigen lassen, dass auch die Arbeitstätigkeit, die nicht dem Zweck der Beförderung dient, mitversichert ist.
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