Eine Fußgängerin wird beim Überqueren einer Tiefgaragen-Ausfahrt von einem Auto niedergestoßen und verletzt. Die Frage, ob sie eine Mitschuld am Unfall trifft, geht durch die Instanzen.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 09.06.2017
Eine Frau fuhr mit ihrem Auto aus einer Tiefgarage heraus. Da sie nach der Ausfahrt rechts abbiegen wollte, hielt sie vor dem quer verlaufenden Gehsteig an. Aus der Blickrichtung der Autolenkerin kam eine Fußgängerin, die den Pkw sah und deshalb stehenblieb. Auch die Fahrerin sah die Fußgängerin, wendete dann jedoch ihren Blick nach links und fuhr los, als der Verkehr das Rechtseinbiegen zuließ. Dabei bemerkte sie allerdings nicht, dass die Frau inzwischen wieder losgegangen war. Diese wurde vom Auto niedergestoßen und verletzt.
Vorinstanzen sehen beiderseitiges Verschulden
Nun klagte die Fußgängerin die Autofahrerin auf Schmerzensgeld. Erst- und Berufungsgericht waren der Meinung, die Lenkerin sei unaufmerksam gewesen. Durch das Stehenbleiben der Fußgängerin sei aber eine klare Verkehrssituation vorgelegen. Die Klägerin hätte sich daher vor ihrem Losgehen vergewissern müssen, dass die Pkw-Fahrerin sie die Straße überqueren lassen würde. Autolenkerin und Fußgängerin treffe das gleichteilige Mitverschulden.
Fußgänger haben am Gehsteig „Vorrang“
Der Oberste Gerichtshof (2 Ob 59/17s) sah das hingegen anders. Das Berufungsgericht hatte sein Urteil anhand von Vorentscheidungen gefällt. Diese betreffen jedoch Fälle, die sich mit Fußgängerin auf der Fahrbahn ereignet hatten. Hier aber habe die Klägerin auf dem Gehsteig, der dem Fußgängerverkehr gewidmet sei, „Vorrang“ vor dem Auto. Nach dem Anhalten der Lenkerin durfte sie daher darauf vertrauen, dass diese sie passieren lassen würde. Das Alleinverschulden am Unfall treffe somit die unaufmerksame Lenkerin.
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