Bereits zum dritten Mal innerhalb von wenigen Jahren musste sich der OGH mit den Folgen der Selbstentzündung eines Kfz durch einen technischen Defekt auseinandersetzen. Dass diese Folgen für die dadurch Geschädigten fatal sein können, zeigt die Entscheidung 2 Ob 179/19s vom 17.9.2020.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 18.02.2021
Von Dr. Wolfgang Reisinger (Foto)
Sachverhalt
In der Tiefgarage eines Wohnhauses kam es zu einem Brand eines Pkw. Das Fahrzeug war am Vortag um die Mittagszeit in der Garage abgestellt worden und hatte sich zu diesem Zeitpunkt in einem funktionstüchtigen, altersbedingt durchschnittlichen Zustand befunden. Das Fahrzeug war gewartet worden, der Fahrer hatte mit diesem nie Probleme gehabt. Durch einen technischen Defekt im Motorraum des Kfz geriet es einen Tag später in Brand, wodurch auch ein daneben geparktes Kfz samt den darin befindlichen Sachen zerstört wurde. Der Kfz-Haftpflichtversicherer gab seinem VN zwar Abwehrdeckung, bestritt jedoch die Haftung für den Schaden am Nachbarfahrzeug mit dem Argument, dass sich das Kfz nicht in Betrieb befand.
Entscheidungsgründe
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits ausführlich und unter ausdrücklicher Ablehnung der Judikatur des deutschen Bundesgerichtshofs mit vergleichbaren Fällen der Selbstentzündung von auf privaten Grundstücken abgestellten Kfz auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass sich dabei nicht die spezifische Gefahr eines sich mit Motorkraft bewegenden oder in anderer Weise am Verkehr teilnehmenden Fahrzeugs verwirklicht, sondern die jeder energiebetriebenen Anlage innewohnende Gefahr, dass sich die Energie in einer nicht geplanten Weise in Wärme umsetzt. Ein Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs iSd § 1 EKHG liegt daher nicht vor, sodass der Halter nicht nach dem EKHG haftet. Anhaltspunkte für ein Verschulden lassen sich dem Sachverhalt nicht entnehmen.
Kommentar
Diese Entscheidung freut die Kfz-Haftpflichtversicherer, lässt die Geschädigten aber ratlos und vor allem entschädigungslos zurück. Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass die Begriffe Betrieb des Kfz iSd EKHG und Verwendung des Kfz iSd des KHVG nicht synonym sind. „Betrieb“ ist ein haftungsrechtlicher Begriff, „Verwendung“ ein deckungsrechtlicher. Der in dieser Entscheidung gegebene Fall (keine Haftung, aber Deckung) ist der für den Schädiger angenehmste: Ihn trifft nicht nur keine Haftung, sondern er kann die mühsame und unter Umständen teure Abwehr der Ansprüche des Geschädigten seinem mächtigen und finanzkräftigen Kfz-Haftpflichtversicherer überlassen. Mit dieser Thematik hat sich der OGH bereits zweimal befasst (2 Ob 55/17b und 2 Ob 188/16k) und ist auch in den Vorentscheidungen zum selben Ergebnis gekommen. Das entspricht zwar dem derzeitigen österreichischen Trend, die Haftung nach dem EKHG nicht ausufern zu lassen, ist jedoch europarechtswidrig. Zeitlich nach den beiden Vorentscheidungen hat nämlich der EuGH (in C-100/18) bei einem identen Sachverhalt judiziert, dass das Ziel des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch Kfz verursacht werden, vom Unionsgesetzgeber beständig verfolgt und gestärkt wird und daher das Parken eines Fahrzeugs in einer Privatgarage eine Verwendung des Fahrzeugs darstellt, die seiner Funktion als Beförderungsmittel entspricht, und daher der Kfz-Halter (also de facto sein Kfz-Haftpflichtversicherer) derartige Schäden zu ersetzen hat.
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Titelbild: © MacXever
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