Der Kunde kündigt seinen Versicherungsvertrag – allerdings zeitwidrig, weshalb der Versicherer die Kündigung zurückweist. Als der Kunde vor Vertragsablauf seine Kündigung widerrufen will, reagiert die Versicherung nicht. Ist dieses Schweigen als Zustimmung dazu zu verstehen, dass der Vertrag weiterläuft?
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 02.08.2016
Der Kunde hatte einen Krankenversicherungsvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaus-Taggeldversicherung (AVB) zugrunde lagen. Am 5. November 2012 kündigte er den Vertrag, weil er sich ein besseres Angebot von einer anderen Versicherungsanstalt erwartete. Das akzeptierte die Versicherung nicht – und stellte in ihrem Schreiben mit Verweis auf die AVB fest, dass die Kündigung zeitwidrig sei.
Darin heißt es nämlich unter anderem: „Der Versicherungsnehmer hat das Recht, den Versicherungsvertrag zum Ende eines jeden Versicherungsjahrs, frühestens aber zum Ablauf einer vereinbarten Vertragsdauer, mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen.“ Die Versicherung habe im Februar 1991 begonnen, also ende das laufende Versicherungsjahr am 31. Jänner 2014. Zu diesem Datum werde der Vertrag dann beendet.
Nun trat jedoch der Kunde Ende Oktober 2013 per Schreiben von seiner Kündigung zurück – diese sei nur durch ein Missverständnis verschickt worden. Von der Versicherung kam darauf keine Reaktion.
Nach Unfall: Kündigung könne nicht mehr widerrufen werden
Als sich der Mann im Juni 2014 bei einem Sturz schwer verletzte (Diagnose: Akutes Subduralhämatom), musste er 69 Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden. Die Leistung der Krankenversicherung blieb aus; diese teilte dem Patienten mit, dass eine Rücknahme der Kündigung nicht möglich sei.
In seiner Klage forderte der Kunde nun vom Versicherer neben einer Summe von mehr als 5.000 Euro auch die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag weiterhin aufrecht sei. Weil die Versicherung nicht auf seine „Kündigungsrücknahme“ reagiert habe, sei von ihrer Zustimmung zum Weiterlaufen der Krankenversicherung auszugehen.
Schweigen gilt als Zustimmung
Das Berufungsgericht gab der Klage statt, der Oberste Gerichtshof (7 Ob 86/16x) bestätigte diese Entscheidung. Der Versicherer habe eine unwirksame Kündigung zurückzuweisen. Tut er das nicht, müsse er sich so behandeln lassen, als wäre der Versicherungsvertrag wirksam gekündigt worden. Die Höchstrichter deuten auf Basis der Grundsätze von Treu und Glauben das Schweigen des Versicherers als Annahme eines in der Kündigung liegenden Angebots auf Vertragsaufhebung. Aufgrund der gleichen Interessenslage habe der Versicherer auch den Widerruf einer zeitwidrigen Kündigung zurückzuweisen. Schweigen des Versicherers zu diesem – als Angebot zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu sehenden – Widerruf gelte als Zustimmung.
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