Bei einem Verkehrsunfall war ein PKW ohne aufrechtem Zulassungsstatus beteiligt. Die vormalige Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters trat aufgrund der Nichtentrichtung der Erstprämie vom Vertrag zurück. Noch bevor sich der Unfall ereignet hatte, schloss der Fahrzeughalter einen neuen Haftpflichtversicherungsvertrag ab. Der Unfallgegner begehrte von der alten Versicherung die Bezahlung des Schadenersatzes. Diese lehnte ab und verwies auf die neue Haftpflichtversicherung, welche ebenfalls ablehnte.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 24.05.2022
Am 12.09.2019 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an welchem ein PKW mit behördlichem Kennzeichen, aber ohne aufrechtem Zulassungsstatus beteiligt war. Die vormalige Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters trat aufgrund der Nichtentrichtung der Erstprämie vom Vertrag zurück. Am 22.07.2019 erfolgte die Einmeldung der Anzeige des Haftungsendes beim VVO. Dem Halter wurde am 29.07.2019 der Bescheid über die Aufhebung der Zulassung von der Zulassungsbehörde zugestellt.
Noch bevor sich der Unfall ereignet hatte, aber bereits nach dem erfolgten Rücktritt der vormaligen KFZ-Haftpflichtversicherung, schloss der Fahrzeughalter einen neuen Haftpflichtversicherungsvertrag ab. Diese hinterlegte am 02.08.2019 die Versicherungsbestätigung mit einem rückwirkenden Gültigkeitsbeginn ab 12.02.2019. Die Rückgabe der Kennzeichentafeln und der Zulassungsbescheinigung durch den Halter erfolgten erst am 09.12.2019, sohin nach dem Unfallzeitpunkt.
Der Unfallgegner begehrte von der alten Versicherung die Bezahlung des Schadenersatzes. Diese lehnte ab, das sie zum Unfallzeitpunkt nicht mehr Haftpflichtversicherung war und verwies auf die neue Haftpflichtversicherung, welche sich allerdings ebenfalls nicht zuständig für den Schadensfall sah.
Wie ist die Rechtslage?
Im abgeführten Rechtsstreit hatte sich der OGH zur GZ 2Ob101/21y mit 2 wesentlichen Rechtsfragen auseinanderzusetzen.
Zunächst war zu klären, ob die Bestimmungen des KHVG überhaupt anzuwenden sind, wenn das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht mehr zum Verkehr zugelassen, das Kennzeichen allerdings noch angebracht war. Nach § 1 Abs. 1 des KHVG gilt dieses Gesetz nämlich für die Haftpflichtversicherung von Fahrzeugen, die nach den Vorschriften des KFG zum Verkehr zugelassen oder an denen Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen angebracht sind.
Um die Frage beantworten zu können, hat der OGH unter Zugrundelegung unionsrechtlicher Bestimmungen (Richtlinie 2009/103/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.09.2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht – 6. KH-RL) einzelne Bestimmungen des KHVG einer Auslegung unterzogen. Er zieht dafür unter anderem nationale Regelungen heran, wie etwa § 24 Abs. 2 KHVG, welcher eine dreimonatige Nachhaftung für den Versicherer vorsieht, sobald die Anzeige des Nichtbestehens des Versicherungsverhältnisses erfolgt ist, woraus für den OGH bereits erkennbar ist, dass die Anwendbarkeit des KHVG nicht ausschließlich von einer Fahrzeugzulassung abhängig ist.
Im Vergleich mit den unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere mit den Erwägungsgründen Nr. 5 und Nr. 30 der 6. KH-RL, kommt er schließlich zusammengefasst zum Ergebnis, dass der Wortlaut des § 1 Abs. 1 KHVG, in dem er sich nur auf zum Verkehr zugelassene Fahrzeuge erstreckt, zu eng gefasst ist und die unionsrechtlichen Bestimmungen die Anwendung der Regelungen zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nicht vom aufrechten Bestand einer Zulassung abhängig machen. Nach Erwägungsgrund Nr. 5 der 6. KH-RL soll für den Fall, dass ein Fahrzeug mit einem amtlichen Kennzeichen, das dem Fahrzeug nicht mehr zugeordnet ist, einen Unfall verursacht, eine besondere Regelung vorgesehen werden. Demnach betreffe Art. 1 Abs. 4 der 6. KH-RL Regelungen unter anderem für den Fall, dass ein Fahrzeug in einen Unfall verwickelt wurde, das ein amtliches Kennzeichen trägt, das dem Fahrzeug nicht mehr zugeordnet ist.
Demnach ist nach Ansicht des OGH das KHVG jedenfalls dann analog anzuwenden, wenn die Zulassung eines der Versicherungspflicht nach § 59 Abs. 1 KFG unterliegenden, in einem Unfall verwickelten Fahrzeuges gemäß § 44 Abs. 1 lit c KFG aufgehoben wurde, im nach Aufhebung der Zulassung liegenden Unfallzeitpunkt aber noch die Kennzeichentafeln am Fahrzeug angebracht waren.
Nachdem der OGH sohin zum Ergebnis kann, dass von einer Anwendbarkeit der Bestimmungen des KHVG auszugehen ist, stellte sich noch die Frage, ob ausgehend von § 24 Abs. 2 KHVG, welche die Nachhaftung für die Haftpflichtversicherung nach Beendigung des Versicherungsvertrages im Verhältnis zum Dritten vorsieht, die vormalige Haftpflichtversicherung für den Unfallschaden haftet, oder bereits die neue Haftpflichtversicherung. Gemäß § 24 Abs. 3 KHVG besteht die Leistungspflicht des Versicherers nämlich nicht, insoweit ein anderer Haftpflichtversicherer zur Leistung verpflichtet ist. In diesem Punkt kam der OGH zum Ergebnis, dass nicht die vormalige Haftpflichtversicherung, sondern die neue Haftpflichtversicherung haftet, zumal diese noch vor dem Unfall und zwar am 02.08.2019 die vorläufige Deckung bestätigt hat. Damit hat sie den Altversicherer bei der Haftung abgelöst.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Die zivilrechtliche Haftung des Versicherers ist nicht an die öffentlich-rechtliche Zulassung des Fahrzeuge zum Verkehr geknüpft. Wenn nach Aufhebung der Zulassung noch die Kennzeichen am Fahrzeug angebracht waren, kommt es zu einer analogen Anwendung des KHVG“.
Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Titelbild: © Andrey Popov – stock.adobe.com
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