Versicherer sollten ihre Kunden bereits vor Vertragsabschluss sorgfältig auswählen, rät der Branchenkenner Dr. Helmut Tenschert. Nur so würden sich aktuelle Probleme der Branche lösen und die Erträge steigern lassen.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 09.07.2018
von Dr. Helmut Tenschert, Versicherungsmakler, Haftpflicht- und Rechtsschutzexperte
Versicherungen sind dazu da, um die Versicherten im Falle von Schadensereignissen zu unterstützen, das ist nichts Neues. Dabei stellt es auch kein Problem dar, wenn es um Großschäden geht, immerhin gibt es ja eine große Anzahl an Versicherten, die ihren finanziellen Beitrag leisten und die Eintrittswahrscheinlichkeit ist gering. All das funktioniert aber nur so lange, wie die Risiken für die Versicherungsunternehmen erträglich bleiben.
Tatsächlich problematisch sind aber die sogenannten Frequenzschäden, das heißt Schäden, die sich regelmäßig ereignen und damit eine permanente Schadenbelastung darstellen. Ich beschäftige mich unter anderem auch mit der Konzeption von Versicherungsmodellen und vertrete neben alternativen Lösungen den Ansatz, dass es, wenn es darum geht, die Risiken für Versicherer tragbar zu machen und zu halten, sinnvoll ist, schon am Anfang einer Kundenbeziehung anzusetzen, noch bevor ein potenzieller Kunde tatsächlich ein Versicherungskunde wird.
Problemfelder für die Versicherungsbranche in Österreich
Die österreichische Versicherungsbranche ist geprägt von einem gesättigten Markt. Der Konkurrenzkampf ist hart und zeitweise aggressiv. Das hat zur Folge, dass die Prämien seit Jahren stagnieren. Gleichzeitig steigt aber die Aufklärung der Kunden – sie sind heutzutage viel besser darüber informiert, welche Schadensmeldungen möglich sind, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Das hängt auch mit guten Information durch die Versicherungsmakler zusammen. Zudem trägt auch der Gesetzgeber sein Übriges bei, das Risiko für die Versicherer zu verschärfen, da die Konsumentenrechte über die Jahre massiv ausgeweitet wurden. Und nicht zuletzt steigen die Schadensfrequenzen und die Begehrlichkeiten der Versicherten. Für die Versicherer bedeutet all das letztendlich, dass das Haftungsrisiko in Zukunft noch zunehmen wird und die zu leistenden Zahlungen aus den Schäden steigen werden.
Weniger Leistung, zu geringe Versicherungssummen
Um die Ertragslage für die Versicherer wieder erträglicher zu gestalten, versuchen diese nun, durch verschiedene Maßnahmen die Schadenszahlungen zu verringern. Die Leistungen aus den Versicherungsverträgen werden eingeschränkt. Das heißt, die Versicherungsbedingungen werden restriktiver. Dies erfolgt auch durch die Einführung von Selbstbehalten und Sublimits. Im Gegenzug dafür haben wir in Österreich oft viel zu geringe Versicherungssummen, speziell bei Haftpflichtversicherungen. Und auch wenn die Versicherungssummen hoch sind, werden mitunter bestimmte Bereiche stark hinunterreduziert.
Wenige Kunden ziehen die gesamte Aufmerksamkeit auf sich
Der übliche Weg der Versicherer, den genannten Problemfeldern Herr zu werden, ist es, im Nachhinein Maßnahmen zu setzen. Analysiert man die Versicherungsbranche nun genauer, so kommt man zur Erkenntnis, dass es die Versicherer in den meisten Fällen immer wieder mit denselben, wenigen Kunden zu tun haben – nämlich genau mit jenen, die häufig Schäden melden.
Mein Ansatz ist es deshalb, die Möglichkeiten der heutigen IT zu nutzen, um schon im Vorfeld festzustellen, welches Kundensegment reduziert werden soll weil dieses mit hoher Wahrscheinlichkeit Probleme verursachen wird. Setzt man noch vor Abschluss eines Vertrags einen brauchbaren Kundenfilter ein, so lassen sich etwaige Unregelmäßigkeiten und Korrelationen erkennen. Ein wesentlicher Faktor in diesem Zusammenhang ist die Frage der Bonität. Weist jemand eine schlechte Zahlungsmoral auf, ist mitunter auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass genau dieser Kunde viele Schadensfälle melden wird. Gleichzeitig könnten sich aber auch Versicherer bei Kunden, die eine hohe Zahlungsmoral aufweisen, auf Versicherungsverträge mit höherem Risiko einlassen, weil sie davon ausgehen können, dass diese Kunden das System nicht missbrauchen werden.
Die permanente und intensive Beschäftigung mit einem relativ geringen Anteil an Kunden, die zudem für den Versicherer „schlechte“ Kunden sind, ist aus Sicht eines Versicherungsunternehmens jedenfalls nicht wünschenswert. Vielmehr sollte man sich ja auf jenen Kundenkreis konzentrieren, den man als Kunden haben möchte und diesen bevorzugt betreuen.
Prävention ist das Gebot der Stunde
Prävention ist das Gebot der Stunde und mit Prävention lässt sich Gewaltiges bewegen im Sinne der Vermeidung der Annahme schlechter Risiken – man muss es nur tun! Modelle dafür gibt es bereits und innovative Unternehmen sind in diesem Betätigungsfeld sehr aktiv. In Zukunft wird es darum gehen die bedarfswesentlichen Risiken versichert zu halten, aber nur mehr die „guten“ Kunden zu behalten.
Der Artikel erscheint in voller Länge in der AssCompact Juli-Ausgabe.
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