Steht dem Kunden ein unbefristetes Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung zu, wenn er nicht ausreichend darüber belehrt wurde? Ja, entschied der OGH – zugunsten des VKI, der jetzt einen Aufruf nach eventuell betroffenen Polizzen startete. Eine „Fehlentscheidung“ für den Schaden- und Rechtsexperten Dr. Wolfgang Reisinger, die allen Beteiligten „mehr Schaden als Nutzen“ bringe.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 20.04.2016
Zur Vorgeschichte: Der Kunde schloss 2006 einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung ab. In der beigelegten Verbraucherinformation war auch eine Belehrung über das Rücktrittsrecht (nach § 165a VersVG) mit einer Rücktrittsfrist von zwei Wochen enthalten. Tatsächlich wären es aber entsprechend der damaligen Rechtslage 30 Tage gewesen.
EuGH: Rücktrittsrecht bei mangelhafter Belehrung
Jahrelang bezahlte der Kunde die monatlichen Prämien, bis er im März 2014 vom Vertrag zurücktrat. Der Versicherer hat die Rücktrittserklärung als verspätet zurückgewiesen. Nun behauptete der VKI als klagende Partei in Bezug auf § 165a VersVG, dem Versicherungsnehmer stehe im Fall einer fehlerhaften Belehrung ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte das in seinem Urteil.
Entscheidungsgrundlage war, so Dr. Wolfgang Reisinger, Leiter der Abteilung Spezialschaden der Wiener Städtischen Versicherung, ein EuGH-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2013. Demnach gehe sowohl aus der Struktur als auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der dritten Richtlinie Lebensversicherung eindeutig hervor, dass der Kunde über sein Rücktrittsrecht genau belehrt werden müsse. Daraus folge, dass auch eine fehlerhafte Belehrung dem Beginn des Fristenlaufs entgegensteht und damit zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht führt.
Glaubwürdigkeit des Kunden lässt zu wünschen übrig
Der beklagte Versicherer habe laut Reisinger zutreffend argumentiert, dass der Kunde durch die Bezahlung der Prämie über sieben Jahre hinweg schlüssig auf sein Rücktrittsrecht verzichtet habe. Sein Rücktritt verstoße nun gegen Treu und Glauben. Dagegen wendete der OGH – für Reisinger „wenig überzeugend“ – ein, dass der Kunde über die Dauer seines Rücktrittsrechtes im Unklaren gelassen wurde und daher aus seinem Verhalten keine rechtlichen Schlüsse gezogen werden können.
„Verhalten ist rechtsmissbräuchlich“
Das Rücktrittsrecht diene laut dem Rechtsexperten dazu, den Versicherungsnehmer vor den Folgen eines übereilten Vertragsabschlusses zu schützen. „Im vorliegenden Fall zahlte der VN jahrelang Prämien und zieht plötzlich eine fehlerhafte Erklärung aus dem Zylinder, die ihm vor sieben Jahren (!) abgegeben wurde. Dieses Verhalten ist ausgesprochen rechtsmissbräuchlich und mit dem im Versicherungsrecht herrschenden Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren“, sagt Reisinger. Und abschließend: „Diese Fehlentscheidung wird Kunden, Vermittler, Versicherer und Gerichte noch lange beschäftigen.“
Alle Details und den ausführlichen Kommentar von Dr. Wolfgang Reisinger lesen Sie in der AssCompact Mai-Ausgabe.
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren