Wenn der Kunde einen Anwalt beauftragt, ohne den Rechtsschutzversicherer vorab zu informieren, droht die Leistungsfreiheit. Ein Streit um diese Bestimmung beschäftigte die Gerichte in Liechtenstein - und ist auch für Österreich interessant.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 23.01.2018
Ein Liechtensteiner schloss mit einem Schweizer Rechtsschutzversicherer einen Versicherungsvertrag ab. Laut Artikel 19 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) darf der Kunde ohne die Zustimmung des Versicherers keine Aufträge an Anwälte, Sachverständige etc. erteilen. Bei Verletzung dieser Obliegenheit kann der Versicherer die Leistung ablehnen.
Nun kam es zu einem Rechtsstreit im Mietrechtsschutz, bei dem der Versicherer zuerst im Namen des Kunden tätig wurde. Letzterer bevollmächtigte jedoch in der Folge einen Anwalt, ohne den Versicherer im Voraus zu informieren. Daraufhin lehnte der Versicherer die Kostendeckung für das Gerichtsverfahren ab.
Freie Anwaltswahl nicht vor Verfahren
Die Deckungsklage wurde vom Fürstlichen Landgericht Liechtenstein abgewiesen. Die freie Wahl des Rechtsanwalts gelte grundsätzlich nur für ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren. Sie greife noch nicht bei der Fallanmeldung, der Überprüfung der Sach- und Rechtslage und bei außergerichtlichen Vergleichsbemühungen. Nach Auffassung der Richter befand sich der Rechtsstreit noch in einer Phase, in der die Versicherung exklusiv zur Fallführung zuständig war.
Bedingungen stehen Richtlinie entgegen
Das Fürstliche Obergericht als Berufungsgericht ersuchte den EFTA-Court um Vorabentscheidung, ob die Bestimmungen des Versicherungsvertrages dem Artikel 201 der Richtlinie 2009/138/EG, der die freie Anwaltswahl in der Rechtsschutzversicherung regelt, entgegenstehen. Im Verfahren nahmen auch einige EU-Staaten sowie die EU-Kommission Stellung. Letztendlich hielt der EFTA-Court fest, dass die gegenständlichen Bedingungen kein Recht auf die freie Wahl des Anwaltes vorsehen. Die entsprechende Bestimmung (Art. 201 Abs. 1.a 2009/138/EG) stehe den Bedingungen eines Rechtsschutz-Versicherungsvertrags entgegen, wonach es zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt, wenn der Versicherte zu einem Zeitpunkt, an dem er einen vertraglichen Anspruch geltend machen kann, ohne Zustimmung des Versicherers selbst einen Rechtsanwalt mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt.
Versicherer habe Notwendigkeit eines Verfahrens nicht zu beurteilen
Auch wenn die Entscheidungen des EFTA-Courts innerhalb der EU nicht bindend sind, könne dessen Judikatur eine Orientierungshilfe sein, betont die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle im Fachverband der Versicherungsmakler (RSS). Das gelte insbesondere dann, wenn zu dieser Frage noch keine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vorliegt. Die Europäische Kommission habe in ihrer Stellungnahme zum konkreten Verfahren darauf hingewiesen, dass es nicht Aufgabe des Versicherers sein könne, zu beurteilen, ob ein Gerichtsverfahren notwendig oder angemessen sei. Dies werde auch bei der Auslegung österreichischer Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen sein, resümiert die RSS.
Quelle: RSS/Fachverband der Versicherungsmakler
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