Einen Blick auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wirft Ex-Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner beim AssComapct Trendtag am 18. Oktober. Über europäische Regulierungswut, Reformbedarf der Pensionen und den 12-Stunden-Tag spricht er im Interview mit AssCompact Herausgeber Franz Waghubinger.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 31.07.2018
Eine klare Position hat Dr. Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler a.D., Unternehmer und Präsident der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG), zum 12-Stunden-Tag. „Grundsätzlich halte ich die Möglichkeit, zu arbeiten, wenn wirklich auch Arbeit da ist, für richtig, und stehe daher zu dieser Umsetzung.“ Der entscheidende Punkt der Freiwilligkeit sehe Vorteile für den Unternehmer vor – „er befindet sich in der stärkeren Position“, so Mitterlehner. „Allerdings tut er sich selber nichts Gutes, wenn er den Arbeitnehmer da nicht vernünftig einbaut, der ja auch die entsprechende Leistung erbringen muss.“
„Reformbedarf ist immer da“
Wie schätzt der Ex-Vizekanzler die Finanzierbarkeit der Pensionen ein? Diese hänge immer von der Wirtschaftsentwicklung ab – „und die ist derzeit so gut wie schon lange nicht mehr“. Daher sei der Reformdruck in den Pensionssystemen nach außen hin etwas geringer geworden. „Auf der anderen Seite geht die Angleichung im Frauenpensionsrecht an das Antrittsalter der Männer so langsam voran, dass wir im Jahr 2020 an letzter Stelle in Europa liegen.“ Das bringe Kosten- und auch Wettbewerbsnachteile, weil qualifizierte Arbeitskräfte fehlen werden. „Das Argument, dass Frauen noch nicht die notwendigen Kinderbetreuungseinrichtungen oder Chancen in den Firmen haben, stimmt so nicht mehr wie vielleicht noch vor zwanzig Jahren.“ Außerdem gebe es bei der Schwerarbeiter-Pension ein neues Einfallstor, das eine Art Frühpension ermöglicht werde. „Hier tut sich eine Gefahrenschwelle auf. Die Pensionen sind finanzierbar, aber Reformbedarf ist immer da.“
Gute Zukunft für Versicherungen
Im Interview wirft Mitterlehner, der im Aufsichtsrat der Oberösterreichischen Versicherung sitzt, auch einen Blick auf die Entwicklung der Versicherungen. Diese hätten „ganz sicher eine gute Zukunft, wenn sie auch einem Wandel unterworfen sind“. Denn auf Jahrzehnte gesehen stellen sich Fragen wie etwa, was autonomes Fahren für die Versicherungswirtschaft bedeute. „Außerdem sehen wir, dass die EU wie auch in anderen Bereichen aus Sicht des Konsumenten im Prinzip alles regelt. Dabei ist alles sehr bürokratisch und stark reglementiert, was dem Kunden nicht wirklich nützt, aber die einzelnen Funktionäre sehr fordert.“
„Einige schwarze Schafe provozieren Regelungen“
Nicht wenige Branchenteilnehmer klagen über zunehmende Regulierungswut auf europäischer und nationaler Ebene. „Die Klagen sind nachvollziehbar“, sagt Mitterlehner. „Hintergrund ist ja immer, dass einige schwarze Schafe solche Regelungen provozieren und ein großes System wie die EU überdimensional scharf reagiert.“ Der Staat selbst könne dann nur noch die Regelung vollziehen. „Dabei brauchen wir nicht unbedingt ein Golden Plating, das sich in Österreich ohnehin schon reduziert hat.“ All das gehe eben mit bürokratischen Organisationen wie der EU einher. „Aber dennoch würde ich die EU deswegen nicht missen wollen – man muss sich eben selbst ein bisschen beschränken.“
Reinhold Mitterlehner am AssCompact Trendtag
Reinhold Mitterlehner referiert beim AssCompact Trendtag am 18. Oktober in der Pyramide Wien/Vösendorf über das Thema „Wohin steuert Österreich?“. Die Teilnehmer erwarten ein Blick auf aktuelle Wirtschaftstrends und eine Zwischenbilanz zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. „Außerdem möchte ich zu Fragestellungen wie Arbeitsmarkt, Berufsqualifikation und gesellschaftlichen Trends einige Inputs geben, sodass der Teilnehmer vielleicht etwas mehr mitnimmt, als er in seiner beruflichen Tätigkeit an Auseinandersetzung schon gewohnt ist – eine Horizonterweiterung auch im Sinne von Diskussionsbereitschaft.“
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