Nach einem Taxi-Unfall auf winterlicher Straße lehnt der Kfz-Versicherer die Deckung ab. Grund: Die Reifen weisen die erforderliche Mindestprofiltiefe nicht auf, die Fahrerin habe somit grob fahrlässig gehandelt. Etwas anders sieht das hingegen die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle im Fachverband der Versicherungsmakler (RSS).
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 19.06.2017
Anfang März 2016 kam die Taxilenkerin mit ihrem Fahrzeug ins Rutschen und prallte gegen einen Gehsteig. Dabei wurden Lenkung und Vorderachse beschädigt. Die Reparaturkosten von rund 7.700 Euro wollte der Versicherer – das Auto war vollkaskoversichert – allerdings nicht bezahlen. Er begründete dies mit dem Sachverständigen-Gutachten, wonach alle vier Winterreifen die Mindestprofiltiefe von vier Millimetern nicht erreichten. Somit habe die Lenkerin die Winterreifenpflicht nicht eingehalten und damit grob fahrlässig gehandelt. Die dem Schreiben beigelegten Lichtbilder sollten die Profiltiefe der einzelnen Reifen, die von 3,62 bis zu 9,91 Millimeter schwankte, zeigen.
Geringeres Reifenprofil weniger schwerwiegend als Sommerreifen
Dem erwiderte die Kundin, ihr sei kein subjektiv schwer vorwerfbares Verhalten zuzuschreiben. Die minimale Unterschreitung der Mindestprofiltiefe bei Winterreifen äußere sich nicht im selben Ausmaß wie die Verwendung von Sommerreifen. Zudem könne anhand der einzelnen Messungen nicht auf den gesamten Zustand der Reifen geschlossen werden. Der Versicherer blieb jedoch dabei: Nach nochmaliger Prüfung sei es aufgrund der winterlichen Straßenverhältnisse und der nicht eingehaltenen Mindestprofiltiefe zu dem Unfall gekommen.
Verstoß muss auch subjektiv schwer vorwerfbar sein
Der Fall kam zur RSS, die dem Versicherer grundsätzlich zustimmte, dass Reifen mit einer geringeren Profiltiefe als vier Millimeter nicht als Winterreifen im rechtlichen Sinne gelten und daher einen objektiven Sorgfaltsverstoß begründen. Dieser allein bewirke aber noch keine grobe Fahrlässigkeit, sondern müsse dem Handelnden auch subjektiv schwer vorwerfbar sein. Insofern warf die Schlichtungskommission zunächst einen Blick auf die rechtliche Lage.
Grobe Fahrlässigkeit, wenn Schadenseintritt offensichtlich ist
Demnach setzt grobe Fahrlässigkeit ein Verhalten voraus, von dem der Handelnde wissen müsste, dass es den Eintritt eines Schadens fördert. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte zur Vermeidung des Schadens in Betracht zu ziehen. Die Beurteilung hängt im Einzelnen von der Gefährlichkeit der Situation, dem Wert der gefährdeten Interessen, dem Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und dessen persönlichen Fähigkeiten ab. In diesem Sinne ist es für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit nur dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen.
Kfz-Versicherer soll Schaden übernehmen
Letztlich kommt die Schlichtungskommission zu dem Schluss, dass der Kundin in diesem Fall zuzustimmen sei. Ihr Verhalten sei nicht subjektiv schwer vorwerfbar. Der Versicherer habe im Übrigen nur eingewendet, dass die Kundin grob fahrlässig gehandelt habe, jedoch nicht vorgebracht, inwiefern sie durch die Verwendung der geringfügig abgefahrenen Reifen grob fahrlässig gehandelt habe. Die Deckung des Schadens sei zu empfehlen.
Quelle: RSS/Fachverband der Versicherungsmakler
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