Verweigern BU-Versicherer systematisch die Leistung im Schadensfall? Dieser pauschale Vorwurf ist nicht haltbar, heißt es in einer aktuellen Studie von Franke und Bornberg. Die Schwachstellen seien vielmehr grundsätzlicher Natur.

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 15.05.2018
Die Ratingagentur hat die Regulierungspraxis sieben wichtiger Berufsunfähigkeitsversicherer in Deutschland unter die Lupe genommen. Dabei wurden die Bestände, Arbeitsprozesse und mindestens 125 Schadenakten pro Unternehmen analysiert. Außerdem machten sich die Experten ein Bild vor Ort bei den einzelnen Versicherern.
Jede zweite Ablehnung wegen BU-Grad
Laut Studie gehen drei von vier Leistungsentscheidungen (75,7%) zugunsten der Kunden aus. Knapp die Hälfte aller Ablehnungen (48,5%) wurden ausgesprochen, weil aus Sicht der Versicherer der vertraglich vereinbarte BU-Grad – in der Regel 50% – nicht erreicht wurde. Weitere rund 30% sind auf Anfechtungen und Rücktritte zurückzuführen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies aus Kundensicht eine leichte Verschlechterung.
Mehr Transparenz für Kunden
Versicherer und Vermittler seien hier besonders in der Pflicht, betont die Studie. Kunden müssten auf die Rechtsfolgen falscher Angaben im Antrag noch deutlicher als bisher hingewiesen werden. Auch stichprobenhafte Prüfungen der Angaben des Kunden können dazu beitragen, die Qualität der Antworten auf mittlere Sicht zu verbessern. Ein besonderes Ärgernis stellen sogenannte Abrechnungsdiagnosen dar. Dabei dokumentieren Ärzte ohne Wissen der Patienten Diagnosen allein zu Abrechnungszwecken in den Akten. Im Leistungsfall holen die Versicherer regelmäßig Arztberichte ein und vermuten dann eine Anzeigepflichtverletzung.
„Im Fokus der Kritik stehen oft nicht die tatsächlichen Schwachstellen der BU“, sagt Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter bei Franke und Bornberg. Vielmehr seien Kunden oft mit den Fragebögen bei der Leistungsbeantragung überfordert. Zudem müssten Ärzte und Versicherer die 50%-Schwelle oft ohne genaue Kenntnis der individuellen beruflichen Situation ermitteln. „Hier liegt ein systemimmanentes Problem der BU.“
156 Tage bis zur Leistungsentscheidung
In der Studie wurde auch die Regulierungsdauer vom Zeitpunkt der Meldung der vermuteten Berufsunfähigkeit bis zum Tag der Leistungsentscheidung des Versicherers gemessen. Dafür brauchten die befragten Unternehmen durchschnittlich 156 Tage. Wenn der Versicherer seine Leistungspflicht ablehnt, kann der Versicherte gegen die Entscheidung klagen. Davon machten im Jahr 2016 bei den untersuchten Gesellschaften insgesamt 589 Kunden Gebrauch. Verloren haben die Versicherer zehn Prozent der Prozesse. Der Rest teilt sich auf in Vergleiche (62%) und gewonnene Prozesse (28%). Bezogen auf alle Leistungsfälle betrug die Quote der von Versicherern verlorenen Prozesse 0,28%.
Individuellere Bearbeitung
Fazit: Für die Vorwürfe einer systematischen Verzögerung oder sogar grundlosen Verweigerung der Leistung hat die Analyse zumindest bei den untersuchten Unternehmen keine Anhaltspunkte geliefert. Franke: „Das Hauptproblem ist eher grundsätzlicher Natur. Nachweislich verbessern individuell auf die Kunden zugeschnittene Fragebögen und eine telefonische Erstklärung das Antwortverhalten und die Bearbeitungszeiten. So wie der Schutz selbst, muss auch die Leistungsfallbearbeitung individueller werden.“
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren