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Versicherter contra Versicherungsnehmer in der Bauwesenversicherung

Versicherter contra Versicherungsnehmer in der Bauwesenversicherung

29. März 2022

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4 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Dass an einem Deckungsprozess kein Versicherer beteiligt ist, kommt selten vor. Aber auch Versicherter und Versicherungsnehmer ziehen nicht immer an einem Strang, wie die Entscheidung OGH 7 Ob 111/21f vom 15.09.2021 zeigt.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 29.03.2022

Von Dr. Wolfgang Reisinger (Foto)

Bei der Sanierung eines im Eigentum der VN stehenden Einkaufszentrums war die spätere Klägerin mit der gärtnerischen Gestaltung des Flachdachs des Gebäudekomplexes beauftragt. Die VN schloss mit einem Versicherer eine Bauwesenversicherung ab, mit der sie ihr eigenes Risiko als Bauherrin versicherte und in der auch die spätere Klägerin (in der Folge Mitversicherte) als eine von mehreren Auftragnehmern mitversichert war. Im Zuge der Umbauarbeiten kam es Anfang 2018 aus Verschulden der Mitversicherten zu Wassereintritten in einem unter dem Flachdach befindlichen Mietobjekt. Das deshalb erforderliche Abräumen des Daches stellte die Mitversicherte mit rund 120.000 Euro der VN zur Weiterleitung an den Versicherer in Rechnung. Die VN war aber der Ansicht, dass diese Leistungen nicht zu honorieren seien, weil die Mitversicherte zur Naturalrestitution verpflichtet sei. Weiters wies sie den Versicherer an, diese Rechnung unter keinen Umständen zu bezahlen. Der Versicherer erbrachte von März 2018 bis September 2018 ungewidmete Akontozahlungen in Gesamthöhe von 250.000 Euro an die VN. Diese verwendete die Akontozahlungen zur Begleichung von Rechnungen, die ihr andere Unternehmen im Zusammenhang mit dem Schadenfall gelegt hatten. Die Mitversicherte begehrt von der VN den Ersatz dieser ersten Teilrechnung. Sie habe Anspruch auf die von der Bauwesenversicherung erbrachten Akontozahlungen, weil die VN als Treuhänderin zur Weiterleitung verpflichtet gewesen wäre. Das Klagebegehren blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe

Die Beklagte verlangte für sich selbst als VN zur Begleichung der Leistungen dritter Unternehmer eine Abschlagszahlung nach § 11 Abs 2 VersVG. Der Bauwesenversicherer zahlte auch nur auf dieses Verlangen. Gegenstand des Verlangens der Beklagten waren keine Forderungen der Klägerin als Versicherte, sodass solche vom Versicherer auch nicht beglichen wurden. Die Klägerin konnte damit nicht einen ihr zustehenden Treuhanderlag nachweisen, der die Beklagte zur Herausgabe verpflichten würde.

Kommentar

Eine Versicherung für fremde Rechnung nach den § 74 ff VersVG liegt dann vor, wenn ein VN im eigenen Namen mit einem Versicherer einen Vertrag abschließt, der fremdes Interesse zum Gegenstand hat. Wie alle Instanzen richtig feststellten, besteht die Besonderheit bei dieser Versicherung darin, dass die materielle Berechtigung des Versicherten und die formelle Verfügungsberechtigung des VN auseinanderfallen. Da der Versicherte grundsätzlich weder ein eigenes Klagerecht noch ein Verfügungsrecht hat, handelt es sich beim Verhältnis des VN zum Versicherten um eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis, dh der VN ist verpflichtet, eine allenfalls bereits erhaltene Versicherungsleistung dem Versicherten weiterzuleiten. Strittig waren im gegenständlichen Fall rund 120.000 Euro an Aufwendungen der Klägerin für das Abräumen des Daches. Über diese Position erfolgte keine Leistung des Versicherers, weil sie die VN für unberechtigt hielt und sie daher auch den Versicherer angewiesen hatte, diesbezüglich keine Leistungen zu erbringen. Wenn keine Leistung des Versicherers erfolgt, kann die VN auch nicht zur Weiterleitung an die Mitversicherte verpflichtet sein.

Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact April-Ausgabe!

Titelbild: ©peterschreiber.media – stock.adobe.com

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