Der Versicherungsfall in der Vertragsrechtsschutzversicherung liegt vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Dass dies manchmal zu Differenzen führt, zeigt die Entscheidung OGH 7 Ob 36/18x vom 20.04.2018.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 23.08.2018
Von Dr. Wolfgang Reisinger
Sachverhalt
Die Mitversicherte (MV) und ihr Ehemann erwarben ein Haus, wofür sie eine Fremdfinanzierung benötigten. Sie schlossen einen Kreditvertrag über 220.000 Euro ab. In der Folge schloss die MV entsprechend einer im Kreditvertrag enthaltenen Verpflichtung einen Lebensversicherungsvertrag über 200.000 Euro ab, versicherte Person war ihr Ehemann. Ein Jahr danach nahm sich der Ehemann das Leben. Die MV ersuchte um Stornierung und Abrechnung des Rechtsschutzversicherungsvertrages, was auch durchgeführt wurde. In der Folge verweigerte der Lebensversicherer die Auszahlung der Versicherungssumme, weil der Ehemann die vorvertragliche Anzeigepflicht arglistig verletzt habe. Der Rechtsschutzversicherer lehnte die Deckung für den Streit gegen den Lebensversicherer mit dem Argument ab, Versicherungsfall sei die Zahlungsverweigerung durch den Lebensversicherer, die erst nach dem Storno des Rechtsschutzversicherungsvertrages erfolgte. Die Unterinstanzen waren sich nicht einig, der OGH gab der Klage gegen den Rechtsschutzversicherer statt.
Entscheidungsgründe
Schon die Bedingungslage, die zur Festlegung des Versicherungsfalls keine Unterscheidungen vornimmt, ob der VN einen Anspruch aktiv verfolgt oder einen gegen ihn gerichteten Anspruch abzuwehren beabsichtigt, spricht für die Ansicht der Klägerin. Es ist letztlich vom Zufall abhängig, ob sich der VN in einem Aktiv- oder einem Passivprozess befindet, sodass sich eine Differenzierung zur Festlegung des Versicherungsfalls verbietet. Hinzu kommt, dass der durchschnittliche VN gerade in Fällen wie dem hier vorliegenden, in denen der Grund des Rechtsstreits darin liegt, dass er gegen Pflichten verstoßen haben soll und sein Gegner (ausschließlich) deshalb die sonst unstrittige Leistung verweigert, sein eigenes Verhalten als den „behaupteten Verstoß“ ansehen wird und nicht die darauf gegründete Leistungsverweigerung des Gegners.
Kommentar
Der Vertragsrechtsschutz hat auch eine haftungsrechtliche Komponente und gibt auch dann Versicherungsschutz, wenn der VN oder eine mitversicherte Person gegen Rechtspflichten verstoßen hat. Natürlich hat auch der Lebensversicherer mit der Verweigerung der Deckung einen angeblichen oder tatsächlichen Verstoß gesetzt, doch liegt es im Wesen der Rechtsschutzversicherung, dass bei mehreren Verstößen der zeitlich erste den Versicherungsfall auslöst. Interessant ist auch der Umstand, dass der deutsche Bundesgerichtshof in neuerer Rechtsprechung davon ausgeht, dass für die für den Versicherungsfall kennzeichnende Pflichtverletzung eigene Verstöße des VN unbeachtlich seien. Nach deutscher Rechtsprechung wäre daher zweifellos Nachvertraglichkeit eingetreten.
Obwohl die Neuausrichtung der Rechtsprechung von der deutschen Lehre begrüßt wurde, sah sich der OGH ausdrücklich nicht veranlasst, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Das Vorliegen des Bauherrenausschlusses (kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im ursächlichen Zusammenhang mit der Finanzierung von Bauvorhaben) wurde zu Recht verneint, weil die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Lebensversicherer bloß eine Streitigkeit aus rein versicherungsvertragsrechtlichen Gründen ohne Bezug zu für Bauten typischen Problemen darstellt.
Der Artikel erscheint auch in der nächsten AssCompact-Ausgabe.
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