Bei Telematik-Tarifen spalten sich die Gemüter. Vor allem die Frage, wie gerecht solche Preismodelle sind, wird häufig diskutiert. Doch unter welchen Voraussetzungen wären Kunden bereit, solche Tarife abzuschließen? Nachgefragt bei Prof. Horst Müller-Peters vom Institut für Versicherungswesen der Technischen Hochschule Köln.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 21.09.2018
„Ganz grob gesehen ist der Anteil der Ablehner und der Aufgeschlossenen etwa gleich groß, wobei die Aufgeschlossenen nochmal in echte Befürworter und in Skeptiker, die aber nicht rundweg ablehnend sind, zu unterteilen sind“, so der Experte. Wesentlich sei, dass die Tarifierungsgrundlagen als gerecht und nachvollziehbar wahrgenommen werden. „Als gerecht gelten dabei vor allem Kriterien, die der Kunde selbst beeinflussen kann. Also in der Kfz-Versicherung zum Beispiel die Fahrleistung oder der Fahrstil, in der Krankenversicherung Rauchen, Sport oder Ernährung – im Gegensatz zu ‚Schicksalsfragen‘ wie genetische Veranlagung, aber auch Geschlecht oder sogar das Alter.“
Datensicherheit nur „vordergründig wichtig“
Daneben erwarte der Kunde einen klaren persönlichen Vorteil. „Interessanterweise verspricht sich ein großer Teil der Autofahrer aufgrund der eigenen Fahrweise einen Preisvorteil. Preisaufschläge erwarten die allerwenigsten.“ Die Sicherheit der Daten sei laut Müller-Peters „vordergründig wichtig“. Allerdings lassen Gewohnheitseffekte, Herdentrieb, Bequemlichkeit oder die Aussicht auf Vergünstigungen die Datenschutzbedenken schnell in den Hintergrund treten.
Telematik und Schokolade
Immer wieder geht es bei Telematik-Tarifen um die Frage, was als gerecht oder ungerecht empfunden wird. Der Wissenschaftler vergleicht das mit einer Tafel Schokolade, die man unter drei Kindern aufteilt. „Bekommt jeder das Gleiche? Oder hat ein Kind mehr Bedarf, zum Beispiel weil es als einziges noch nicht zu Mittag gegessen hat? Oder war eines der Kinder zuvor besonders faul oder fleißig, sodass die Leistung des einzelnen zu berücksichtigen ist?“
Bei Versicherungen hieße es dann: Gleiche Preise für alle oder lieber Solidarmodelle oder besser eine risikoadäquate individuelle Tarifierung? Die Frage nach dem gerechten Prinzip der Kostenverteilung hänge immer auch vom Gegenstand und der jeweiligen Situation ab und lasse sich nicht über alle Versicherungssparten einheitlich beantworten.
Gerechtigkeit immer subjektiv
Hinzu komme die sogenannte Verfahrensgerechtigkeit, also Objektivität, Transparenz und Nachvollziehbarkeit in der Preisfindung. „Und auch die Tendenz, dass wir bestehende Prinzipien meist als gerechter erachten als neue Regelungen, bei denen Einzelnen möglicherweise ein Nachteil entsteht, auch wenn es der Gemeinheit eher nutzt, spielt eine Rolle.“
Nicht zuletzt sei unser Gerechtigkeitssinn keinesfalls objektiv, sondern immer auch ein wenig egoistisch. „Sie kennen das vom Fußball: Gerecht ist die Entscheidung, die uns selbst nutzt.“ Das zeigt sich am besten an einem möglichen Raucherzuschlag in der Krankenversicherung: „Während fast drei von vier Nichtrauchern einen solchen Aufpreis als gerecht ansehen, teilt nicht einmal jeder siebte Raucher diese Ansicht.“
Quelle: AssCompact Deutschland; bearbeitet durch Redaktion Österreich
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren