Manche Bedingungswerke regeln die Leistungsfreiheit wegen Alkoholisierung ganz genau, viele überhaupt nicht. Die Unfallversicherung zeichnet sich durch eine eher schwammige Formulierung aus, schreibt Schadenexperte Dr. Wolfgang Reisinger in der AssCompact Dezember-Ausgabe.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 14.12.2018
Der Versicherungsnehmer stürzte um fünf Uhr morgens vom Dach seines Hotelzimmers, auf das er in mittelstark alkoholisiertem Zustand (1,88 – 1,92 Promille) geklettert war. Seine Deckungsklage gegen den Versicherer blieb in allen Instanzen erfolglos (OGH 7 Ob 93/18d).
„Die Grenzwerte der Alkoholisierung sind verschieden, je nachdem, ob der Versicherte etwa Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger ist“, so Reisinger. Reicht der Blutalkoholgehalt allein für einen Ausschlussgrund noch nicht aus, ist die „wesentliche Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit“ danach zu messen, ob der Versicherte noch in der Lage ist, mit der jeweiligen Situation, in der er sich zum Zeitpunkt des Unfalls befindet, einigermaßen zurecht zu kommen. Ob eine wesentliche Beeinträchtigung der psychischen oder physischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol vorliegt, sei keine erhebliche Rechtsfrage – es sei denn, es läge eine krasse Fehlbeurteilung vor, die vom OGH korrigiert werden müsste.
Beurteilung im Einzelfall
„Der OGH lässt sich – zu Recht – keine Aussage entlocken, ab welchem Promillegrad der streitgegenständliche Ausschluss vorliegt“, kommentiert Reisinger. Ob ein Ausschluss vorliegt, hänge davon ab, ob die vom alkoholisierten Versicherten ausgeübte Tätigkeit besondere Anforderungen an Aufnahme-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit stelle oder nicht. „Für das Hinaussteigen aus einem Fenster auf ein schmales Flachdach im ersten Stock ist es kein Nachteil, wenn man einigermaßen nüchtern ist.“ Allerdings habe das Argument des Klägers, es sei nicht feststellbar gewesen, dass er auch im nüchternen Zustand auf das Dach geklettert und vom Dach gefallen wäre, einiges für sich.
Leichtsinnige Handlungen werden auch nüchtern unternommen
Bei Ausschlüssen müsse der Versicherer nicht nur das Vorliegen des Ausschlusstatbestands beweisen, sondern auch die Kausalität. Viele leichtsinnige Handlungen werden von Versicherten auch nüchtern unternommen, sodass bei einer Handlung im alkoholisierten Zustand nicht automatisch Leistungsfreiheit anzunehmen ist. „So geschehen zum Beispiel viele Unfälle beim Bergsteigen oder Wandern oder beim Sprung in zu seichtes Wasser auch dann, wenn der Versicherte nicht alkoholisiert ist.“ Die Annahme der Leistungsfreiheit hänge daher immer von den Umständen des Einzelfalls ab,
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