Im beruflichen Alltag geht es oft um „Risiko“, ein weit gefasster Begriff, der eine flexible Herangehensweise erfordert. Häufig fokussieren wir uns zu schnell auf einzelne Aspekte und verlieren das große Ganze aus den Augen. Besonders bei betrieblichen Absicherungen ist eine ganzheitliche Betrachtung wichtig, um ein passendes und bedarfsgerechtes Deckungskonzept zu entwickeln.
Artikel von:
Stefan Chlebnicek
Akad. VersMaklerWU; Risk Experts Risiko Engineering GmbH
Cyber, Sustainability, Supply Chain etc.
Berufliche Anforderungen für die Beratung in Versicherungsangelegenheiten nehmen laufend zu, denn eine Grundvoraussetzung, um Versicherungsprodukte vermitteln zu dürfen, sind angemessene Kenntnisse, die mit der Tätigkeit einhergehen. (siehe Art. 10 RL (EU) 2016/97 „Berufliche und organisatorische Anforderungen“ und Anhang I „Mindestanfoderungen an berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten“)
Der Kundenbedarf soll erhoben werden können, um ein passendes Deckungskonzept zu erstellen. Das gilt für sämtliche Themenbereiche, die einem tagtäglich begegnen. Dazu kommt das Wissen, welche Deckung von welchem Versicherungsunternehmen angeboten wird und welche rechtlichen Rahmenbedingungen für die jeweilige Situation relevant sind.
Um §28 Zi.1 MaklerG zu entsprechen, ist ein Mindestmaß an Know-how in so gut wie allen Themenfeldern unumgänglich, da sonst kaum im Interesse der Kund:innen gehandelt werden kann. „Entscheidend ist der Umgang mit Informationen, denn Risikomanagement ohne Wissensmanagement ist nur die halbe Miete.“
Was heißt das für die Praxis?
Ich bin davon überzeugt, dass strukturiertes Wissensmanagement Versicherungsmaklerinnen und -maklern dabei hilft, effizienter und zielgerichteter zu arbeiten.
Wie ich darauf komme? Seit über 20 Jahren bewege ich mich in der Versicherungswirtschaft und beschäftige mich seit etwa zehn Jahren intensiv mit dem Thema Wissensmanagement. Meines Erachtens ist der strukturierte und gezielte Umgang mit Wissen essentiell, um am Puls der Zeit zu sein/bleiben und für die eigenen Kundinnen und Kunden optimale Lösungen zu finden. Diese Herangehensweise hat sich für mich als praktikabel erwiesen, da sich Beratungsprozesse damit sehr effizient gestalten.
Es geht keineswegs darum, alles zu wissen und Expertin oder Experte in jedem Bereich zu sein. Das wäre nicht nur unglaubwürdig, sondern auch schlichtweg unmöglich. Neben der Produktlandschaft, getrieben von technischen Entwicklungen und der sich damit verändernden Nachfrage, ändern sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen laufend, was ein „auf dem letzten Stand bleiben“ zur schier nicht bewältigbaren Herausforderung macht. Größere Versicherungsmaklerbetriebe haben hier den Vorteil, die vorhandenen personellen Ressourcen für die laufenden Updates einsetzen zu können.
Wichtig ist es, sich ein solides Basiswissen aufzubauen, das mit durchdachten Strukturen ergänzt wird, die Zugang zu erweitertem Wissen ermöglichen. Ziel ist es dabei, erforderliche „Wissensnuggets“ parat zu haben und sie bei Bedarf flexibel einzusetzen. Genau das macht erfolgreiches Wissensmanagement für mich aus: die Fähigkeit, auf spezifisches und verständliches Wissen zugreifen zu können, wenn es gebraucht wird.
Wir arbeiten in einem dynamischen Umfeld, das ständig neuen gesetzlichen Anforderungen, Produktentwicklungen und technischen Innovationen unterliegt. Durch diese laufenden Änderungen ist spezialisiertes und aktuelles Wissen unumgänglich. Wissen ist zentrales Kapital, das es ermöglicht, Kundinnen und Kunden kompetent und vertrauensvoll zu beraten und ein strukturiertes Wissensmanagement hilft dabei, relevante Informationen effizient zu erfassen, zu speichern und gezielt einzusetzen.
Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur dabei?
Grundsätzlich lässt sich unterscheiden zwischen explizitem Wissen, das durch bspw. Fachliteratur eher einfach dokumentiert werden kann, und implizitem Wissen, das durch individuelle Expertise und persönliche Erfahrung entsteht. Letzteres ist vor allem für den zwischenmenschlichen Umgang und Einschätzung von komplexen Risikoszenarien von Bedeutung. Impliziertes Wissen ist wertvoll, aber deutlich schwerer erheb- und dokumentierbar.
Hier spielt der systematische Wissensaustausch im Team eine wesentliche Rolle, um sicherzustellen, dass Know-how zugänglich und nutzbar bleibt. Hier scheitert es häufig an Proponentinnen und Proponenten. Die Unternehmenskultur ist für mich der entscheidende Faktor für den Wissenstransfer. Dieser funktioniert nur in einer Umgebung, in welcher der Austausch von Wissen gefördert wird. Man soll ermutigt werden, Wissen offen zu teilen und neues Wissen zu erwerben. Eine solche Lernkultur fördert zudem den Zusammenhalt im Team und die Innovationskraft des Unternehmens. Man kann von einem Changemanagement-Prozess sprechen, der bereits mit der grundlegenden Frage des Wollens beginnt.
„Wissensmanagement steigert Effizienz und die Qualität der Beratung“
Neben einem Plus an Effizienz und Qualität profitiert man von einem echten Wettbewerbsvorteil. Beraterinnen und Berater, die sich spezialisiert haben, können die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden in deren Themen besser bedienen. Ein holistischer Beratungsansatz, gerade im Gewerbe-/Industrieumfeld lässt sich dadurch aber nur schwer realisieren.
Eine der größten Herausforderungen ist der damit verbundene Aufwand. Der Aufbau eines Wissensmanagementsystems erfordert, neben dem echten Commitment der Geschäftsleitung, zeitliche und personelle Investitionen. Je höher der Grad an benötigter Komplexität und Relevanz an datenschutzrechtlichen Faktoren, sind der technische Faktor und der Bedarf an regelmäßigen Aktualisierungen für die Realisierung nicht zu unterschätzen.
Was muss bei der Realisierung solcher Konzepte beachtet werden?
Kernelement für die Umsetzung einer Strategie bildet eine zentrale Wissensdatenbank, die Informationen sammelt und zugänglich macht. Eine solche Wissensdatenbank sollte grundsätzlich klar strukturiert und benutzerfreundlich sein. Inhalte müssen also einfach und intuitiv zur Verfügung stehen. In den meisten Fällen gibt es einen konkreten Anlass bzw. eine genaue Fragestellung, die beantwortet werden soll.
Der Aufbau orientiert sich grundsätzlich an der jeweiligen Zielgruppe. Was unabhängig der Zielgruppe, aber immer gegeben sein sollte, ist eine nachvollziehbare Navigation. Das können bspw. Schnellsuchfunktionen oder Ordnerstrukturen sein. Die Digitalisierung eröffnet eine immer größere Vielfältigkeit an nutzbaren Möglichkeiten. Kollaborationsplattformen und cloud-basierte Lösungen sind ideal, um Wissen strukturiert zugänglich zu machen und die Wartung zu vereinfachen. KI-Tools helfen ergänzend dabei, die Inhalte systematisch zu organisieren und die passenden Informationen schnell bereitzustellen.
Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Dezember-Ausgabe!
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