Nach einem Verkehrsunfall unterschreibt eine Frau, die bereits Schmerzensgeld erhalten hat, eine Abfindungserklärung des gegnerischen Haftpflichtversicherers. Als plötzlich neue Schäden eintreten, bringt sie Klage ein. Ob die Erklärung sittenwidrig war, darüber hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) zu entscheiden.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 22.05.2017
Im Dezember 2012 zog sich die spätere Klägerin bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen an der linken Hand zu, die einen komplizierten, längeren Heilungsverlauf zur Folge hatten. Dennoch unterschrieb sie ein halbes Jahr später eine „Generalabfindungserklärung“. Diese hatte der Haftpflichtversicherer des Autofahrers, der am Unfall schuld war, vorbereitet. Darin erklärte sie, mit dem angebotenen Betrag endgültig abgefunden zu sein und auf allfällige weitere Ansprüche aus dem Unfall zu verzichten. Das betrifft auch solche Ansprüche, die in Zukunft erst entstehen (könnten) – „gleichgültig ob diese Schäden vorhersehbar sind oder nicht“.
„Unvorhersehbare Komplikationen“
Ein knappes Jahr später klagte die Frau den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer. Sie forderte zusätzlich zu den bereits überwiesenen 6.000 Euro nochmals rund 9.700 Euro Schmerzensgeld, da sich unvorhersehbare Komplikationen außergewöhnlichen Umfangs ergeben hätten. Daher stehe das bereits bezahlte Schmerzensgeld nun in einem „krassen“ und „unzumutbaren“ Missverhältnis zu den tatsächlichen Verletzungen und Schmerzen. Das Beharren der beklagten Parteien auf der Abfindungserklärung sei sittenwidrig.
Kein „krasses“ und „völlig unzumutbares“ Missverhältnis
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, der OGH (2Ob71/16d) bestätigte diese Entscheidung. Eine Abfindungsklausel sei sittenwidrig, soweit sie auch das Auftreten von unvorhersehbaren Unfallfolgen erfasst, wenn der Eintritt dieser Folgen zu einem „ganz krassen“ und dem Geschädigten „völlig unzumutbaren“ Missverhältnis zwischen Schaden und der bloß auf Basis der bekannten Folgen errechneten Abfindungssumme führt.
Der OGH präzisierte diese Kriterien nun insofern, als der tatsächliche Schaden ein Vielfaches der Abfindungssumme betragen müsse. In diesem Fall sei dies nicht so: Die Klägerin bezifferte ihren Schmerzensgeldanspruch mit insgesamt rund 15.700 Euro, wovon 7.000 bis 8.000 Euro bereits abgefunden wurden.
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