Die Produktwelt der Biometrieversicherung steht vor einem Umbruch: Kunden wünschen sich mehr Flexibilität, Vermittler brauchen digitale Werkzeuge – und neue Risiken wie psychische Erkrankungen rücken verstärkt in den Fokus. Drei Branchenspezialisten erläutern im Interview, wie sie diese Herausforderungen konkret angehen und wo sie in der Zusammenarbeit mit Maklern die größten Hebel sehen.

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 09.04.2025
Die Anforderungen an biometrische Produkte steigen – nicht nur durch gesellschaftliche Megatrends wie Digitalisierung und demografischen Wandel, sondern auch durch veränderte Kundenbedürfnisse. Mag. Willi Bors, Direktor Österreich der Dialog Lebensversicherungs-AG, Mag. Josef Seyr, Geschäftsführer der Continentale Assekuranz Service GmbH, und Markus Zahrnhofer, CEO der Merkur Lebensversicherung AG, geben Einblicke in aktuelle Entwicklungen der Biometrieversicherung.
Produkttrends: Mehr Flexibilität, neue Zielgruppen und Services
Die Versicherer rechnen mit deutlichen Weiterentwicklungen bei Tarifen und Leistungen. Im Vordergrund stehen modulare Produktwelten, digitale Prozesse und neue Ansätze für bisher wenig beachtete Risiken.
Mag. Willi Bors sieht mehrere Entwicklungen, die die Biometrieversicherung in den kommenden Jahren prägen werden: „Bei der Produktqualität werden die wichtigsten Themen die Flexibilität während der Vertragslaufzeit und Anpassungsmöglichkeiten an sich verändernde Lebensumstände sein. Bei der Arbeitskraftabsicherung wird die Berücksichtigung schwerer Erkrankungen bei der Berufsunfähigkeit an Bedeutung gewinnen. Die Preisgestaltung wird insgesamt immer differenzierter und die Vergleichbarkeit immer schwieriger. Die Prozesse bei der Antrags- und Leistungsbearbeitung werden tendenziell digitaler und schneller. Die Qualität der Gesundheitsfragen wird eine höhere Aufmerksamkeit erfahren.
Auch die Continentale setzt schon heute auf flexible und modular erweiterbare Produkte, wie Mag. Josef Seyr erklärt: „Die Produkte der Continentale und der EUROPA zur Absicherung biometrischer Risiken sind schon jetzt sehr flexibel. Unsere Angebote sind jeweils auf verschiedene Zielgruppen zugeschnitten und können wunschweise modular ergänzt werden. Seit langem bieten wir unseren Kunden flexible Gestaltungsmöglichkeiten durch Zusatzoptionen.“
Markus Zahrnhofer verweist auf starke Impulse aus Deutschland und sieht ein großes Potenzial für die BU-Versicherung auch in Österreich: „Produktseitig speziell in der BU war und ist – bedingt durch entsprechende Entwicklungen am benachbarten deutschen Markt – eine stetige, rasante Weiterentwicklung zu beobachten. Die Versicherungsbedingungen gelten – bei gleichen bzw. zum Teil sinkenden Prämienniveaus – umfangreiche Verbesserungen und Erweiterungen erfahren; neue Features wie z. B. Arbeitsunfähigkeit sind hinzugekommen. Die Zielgruppe der Kinder und Schüler wird anbieterseitig noch mehr in den Vordergrund gerückt. Wir sehen uns mit unseren Produkten sehr gut aufgestellt und werden diese kontinuierlich weiterentwickeln, wobei für uns insbesondere die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse des Marktes im Fokus stehen. Das Potential der BU ist in Österreich gepaart mit steigendem Bewusstsein sehr groß, sodass gute bestehende Lösungen durchaus Absatz finden werden. Nichtsdestotrotz beobachten wir permanent unseren Markt und unser Marktumfeld mit den Produktinnovationen. Wir sind im Austausch mit Partnern und arbeiten an möglichen neuen Produkten, die die Flexibilität erhöhen und wesentliche Neuerungen mit sich bringen. Die Idee der Modularität ist in unserer Produktwelt bereits stark verankert. Gleichzeitig wollen wir noch stärker mit Services punkten. Speziell könnten meiner Ansicht nach noch einige Nischen, z. B. Krebs, stärker in den Fokus rücken.“
Maklerkooperation: Zwischen Weiterbildung, Tools und Beratungskompetenz
Die Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Maklern entwickelt sich weiter – getrieben durch komplexer werdende Produkte, höhere Anforderungen an Beratung und neue technische Möglichkeiten.
Mag. Willi Bors sieht vor allem in digitalen Tools großes Potenzial, um die Beratung zur BU attraktiver und verständlicher zu machen: „Gute Versicherer beschränken sich nicht mehr darauf, ein bezahlbares Produkt ‚an die Rampe zu stellen‘. Sie unterstützen ihre Vertriebspartner auch mit innovativen Ansätzen, die die Notwendigkeit des Versicherungsschutzes gegenüber dem Endkunden deutlich machen. Als besonders gelungenen Ansatz möchte ich hier den ‚Dialog BU-Simulator‘ hervorheben, der verkaufspsychologische Erkenntnisse mit modernster Technik verbindet. Bei einem flächendeckenden Einsatz könnte dieses Tool in der Lage sein, in Österreich einen Wendepunkt in der leider immer noch zurückhaltenden Einstellung zur Berufsunfähigkeitsversicherung einzuläuten und deren Wichtigkeit zu sehen.“
Mag. Josef Seyr unterstreicht die Bedeutung kontinuierlicher Weiterbildung und direkter Kommunikation zwischen Maklern und Versicherern: „Vor dem Hintergrund, dass sich Lebens- und Arbeitswelten schneller als früher wandeln, Risiken sich verändern oder neue hinzukommen, besteht eine große Herausforderung darin, dass sich Vermittler immer wieder über neue Daten und Trends informieren, sich also regelmäßig fort- und weiterbilden. Hier sind wir als Anbieter in der Pflicht, valide Angebote zu unterbreiten. Vermittler wiederum müssen Motivation und Bereitschaft zu dieser kontinuierlichen Weiterbildung mitbringen. Kommunikation und Service stehen bei uns schon heute an erster Stelle. Zu allen Vertriebsthemen und Fragen rund um unsere Tarife finden Vermittler bei uns kompetente persönliche Ansprechpartner, die sie individuell beraten. Zudem können sie ihr Wissen über komplexe Produkte in unseren Workshops und Online-Seminaren vertiefen. Uns ist es hierbei auch wichtig, dass uns Makler Feedback geben, um sicherzustellen, dass unsere Absicherungsangebote den Bedürfnissen der Kunden entsprechen und unsere Angebote marktfähig sind. So holen wir uns kontinuierlich Rückmeldungen von unseren Vertriebswegen und Vertriebspartnern. Sie sind wichtige Impulsgeber für uns. Dadurch, dass Makler ihre Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge einbringen, können wir unsere Produkte und Prozesse weiter kontinuierlich optimieren.“
Markus Zahrnhofer hebt hervor, wie leicht sich heute Daten zur Einkommensabsicherung erheben lassen – und warum sie in der Beratung stärker eingesetzt werden sollten: „Trotz unserer Kampagnen erfolgt die Information und Bedarfsweckung hier weitestgehend durch Versicherungsberater. Eine BU ist im Grunde jedoch nicht komplizierter als eine Krankenversicherung, Rechtschutzversicherung oder andere Produkte. Zudem ist mittlerweile der Zugang zu Daten des Pensionsanspruches bzw. Hochrechnungen betreffend BU-Lücken sehr einfach und ohne Aufwand zu bekommen. So bieten auch wir im Internet mit unserer Vorsorge-App eine solche Möglichkeit an. Allein schon diese Daten, zusammen mit einer mit dem Interessenten gemeinsam erstellten Haushalts-, Ausgabenanalyse reichen aus, um mit dem Kunden klären zu können, welche heutigen Ausgaben im Falle einer BU nicht mehr gedeckt sind. Dem Kunden wird dann sehr drastisch vor Augen geführt, was die sogenannte BU-Lücke für ihn konkret bedeutet, und worauf er im Anlassfall konkret verzichten müsste."
Mehr zur Zukunft der Biometrieversicherung im April-Magazin
Das Interview bildet den Auftakt einer Interviewrunde zur Zukunft der Biometrieversicherung in der AssCompact April-Ausgabe. Dabei sprechen Mag. Willi Bors, Mag. Josef Seyr und Markus Zahrnhofer unter anderem über die veränderte Risikolandschaft, die zunehmende Bedeutung psychischer Erkrankungen sowie neue Anforderungen an die Risikoprüfung und Tarifierung.
Foto oben v.l.n.r.: Mag. Willi Bors, Direktor Österreich der Dialog Lebensversicherungs-AG, Markus Zahrnhofer, CEO der Merkur Lebensversicherung AG, und Mag. Josef Seyr, Geschäftsführer der Continentale Assekuranz Service GmbH
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