Droht nach einer richtungsweisenden OGH-Entscheidung eine Rücktrittswelle von Lebensversicherungen? Diese Frage ließ die Wogen in der Branche hochgehen, und beschäftigt seitdem alle Beteiligten. Der Fachverband der Versicherungsmakler will nun gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch erste Klarheit für Vermittler schaffen.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 25.05.2016
Die einschlägigen Entscheidungen des EuGH (C-209/12) und des OGH (7 Ob 107/15h) haben für Unsicherheit unter Maklern gesorgt, verstärkt durch Medienberichte, die etwa über „Millionen anfechtbare Lebensversicherungsverträge“ sprechen. Der Fachverband klärt nun einige Punkte – und betont zugleich, dass die Thematik komplex und eine pauschale Empfehlung für oder gegen die Rückabwicklung nicht möglich sei, sondern vielmehr jeder einzelne Vertrag eine juristische Einschätzung verlange. Als Experte für Versicherungsrecht beantwortet Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch die wichtigsten Fragen.
Informationspflicht hängt vom Einzelfall ab – aktive Kommunikation ist anzuraten
Kommt dem Versicherungsmakler eine Aufklärungspflicht dahingehend zu, dass er seine Kunden über das OGH-Urteil und die damit mögliche Rückabwicklung zu informieren hat?
Ob eine Verpflichtung zur Information besteht, hänge laut Weinrauch maßgeblich von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kunde und Versicherungsmakler ab - eine allgemeine Antwort gibt es nicht. „Jedenfalls ist es dem Versicherungsmakler anzuraten, aktiv mit dem gegenständlichen Thema umzugehen und dieses, insbesondere im Rahmen aufrechter Kundenbeziehungen, im Sinne des Kunden mitzudenken.“
Können die Ansprüche auf Rückabwicklung – sollten sie rechtlich zulässig sein – verjähren? Wenn ja, wann?
Anders gefragt: Hat der Versicherungsmakler den Kunden sofort zu informieren oder kann er die weitere Entwicklung abwarten? Diese Frage reiht sich in eine Reihe von weiteren noch bestehenden rechtlichen Unklarheiten ein. Auf Basis der OGH-Entscheidung sei, so Weinrauch, von einem unbefristeten Rücktrittsrecht auszugehen. „Ob dies in Österreich z.B. auch für gekündigte bzw. rückgekaufte Verträge gilt, wurde von der österreichischen Judikatur noch nicht beantwortet.“
Im Zweifelsfall Rechtsanwalt hinzuziehen
Welche Art von Informationen sollte der Versicherungsmakler lieber jemand anderem – etwa einem Rechtsanwalt – überlassen?
„Zumal bis dato noch keine auf Lebensversicherungsverträge bezogene Entscheidung oder Judikaturlinie vorliegt, welche klar zum Ausdruck bringt, wie umfassend, übersichtlich und genau die Rücktrittsbelehrung des Lebensversicherers sein muss, sollte die Frage, ob der jeweilige Vertrag ein Rücktrittsrecht zulässt sowie welche Rechtsfolgen ein Vertragsrücktritt auslöst, der anwaltlichen Beurteilung überlassen bleiben“, stellt der Branchenexperte fest.
Könnten Versicherer im Fall der Rückabwicklung versuchen, den Schaden auf den Versicherungsmakler abzuwälzen und die Provision zurückfordern?
Hier komme laut Weinrauch die jeweilige Courtagevereinbarung zum Tragen. Ist etwa die Provisionsrückforderung für eine bestimmte Dauer ausgeschlossen, werde dies einem Rückforderungsanspruch des Versicherers entgegenstehen. In allen anderen, nicht derartig geregelten Fällen lasse das Maklergesetz nach Einschätzung des Rechtsanwalts die Argumentation zu, dass kein gerechtfertigter Grund vorliege, wenn eine fehlerhafte Belehrung vom Versicherer selbst ausgegangen ist. „Auch meiner Ansicht nach ist der Rücktritt eben der Sphäre des Versicherers zuzuordnen. Bis dato ist dazu jedoch keine Entscheidung vom österreichischen OGH gefällt worden.“
Quelle: Fachverband der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten; bearb. von AssCompact Österreich
Anm.: Hierbei handelt es sich um eine erste Einschätzung des Fachverbandes und Dr. Weinrauchs – ohne rechtsverbindliche Wirkung. Der Fachverband werde laut eigenen Angaben zu dieser Thematik weitere einschlägige Experten heranziehen.
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