Der Arbeitskräftemangel zählt zu den Megatrends der heimischen Wirtschaft. Auch die Versicherungsbranche sucht nach qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – mit teils überschaubarem Erfolg. „Es herrscht ein War-for-Talents nicht nur innerhalb, sondern auch zwischen den Branchen“, stellt das Marktforschungsinstitut Telemark Marketing in einer aktuellen Studie im Auftrag des Finanz-Marketing Verbands Österreich (FMVÖ) fest. Der Arbeitskräftemangel wird auf Versicherer- UND auf Vermittlerseite zu einer immer größeren Herausforderung.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 29.03.2023
Der aktuelle Arbeitskräftemangel zeigt sich auch in den Beschäftigungszahlen der österreichischen Versicherer. Während in den fünf Jahren zwischen 2011 und 2016 die Gesamtzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laut Statistik des Versicherungsverbands VVO von 25.794 auf 27.184 stieg – ein Plus von 5,4%, ist in den Jahren von 2016 bis 2021 eine Stagnation zu bemerken: Konkret weist die VVO-Statistik für das Jahr 2021 einen Beschäftigtenstand von 27.576 aus – gegenüber 2016 nur ein Plus von 1,4%. Von 2020 auf 2021 ist die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in österreichischen Versicherungsgesellschaften sogar um 264 gesunken.
Stetiges Minus bei den aktiven Fachgruppenmitglieder
Bei den Versicherungsmaklern stieg die Zahl der aktiven Fachgruppenmitglieder laut Statistik der WKO zwar von 2011 bis 2021 von 3.863 um rund 4% auf 4.024 an, seit einem Höchststand an Mitgliedern im Jahr 2017 mit 4.197 Mitgliedern ist jedoch ein stetiges Minus zu beobachten. Nur von 2020 auf 2021 gab es ein leichtes Plus von 18 Mitgliedern, das aber nach jüngsten Zahlen auf 2022 wieder vollständig verloren ging. Die gute Nachricht aus der Maklerschaft: Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten in Österreichs Versicherungsmaklerbüros (inkl. geringfügig Beschäftigte) stieg in den vergangenen zehn Jahren von 6.440 auf 7.301 – ein Plus von mehr als 13%.
21% weniger Lehrlinge in Österreichs Maklerbüros
Ernüchternd ist auch die Entwicklung der Lehrlingszahlen in den heimischen Versicherungsmaklerbüros: Auch wenn seit einem Tiefststand mit österreichweit 108 Lehrlingen im Jahr 2017 wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen ist, zeigt die Statistik der WKO einen deutlich negativen Trend: 2011 waren 162 Lehrlinge in Österreichs Maklerbüros beschäftigt, 2021 waren es nur noch 128 – ein Minus von 21%.
Demografisches Problem: Überalterung und zu wenig Nachwuchs
Die Altersstruktur der österreichischen Maklerschaft bereitet Anlass zur Sorge.
Quelle: AssCompact Studie zum Serviceaward 2022
Zusätzlich hat die Branche ein demografisches Problem: „Betrachtet man die Altersstruktur im Angestellten- und Vermittlervertrieb, so muss man davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren ein guter Teil der Berater in Pension gehen wird. Nachdem es derzeit offensichtlich zu wenig Nachwuchs gibt, stellt sich die Frage, wer die Versicherungskunden in Zukunft persönlich betreuen wird“, prognostiziert Telemark Marketing Geschäftsführer MMag. Robert Sobotka in der eingangs genannten Studie „Wert der Veränderungen – reloaded. Ein Trendreport der Versicherungsbranche in Österreich 2022.“ Für die Studie hatte Sobotka ausführliche Gespräche mit zwölf österreichischen Versicherungsvorständen geführt.
Sobotka sieht bei der Frage des qualifizierten Nachwuchses auch ein Imageproblem: „Wenn man die Ansicht der Experten teilt, so wird der persönliche Verkauf in der Branche weiterhin die Hauptrolle spielen. Folglich wird die Mitarbeiterakquisition eine der großen Herausforderungen der Versicherungsgesellschaften auch in den nächsten Jahren sein. Maßnahmen zum Employer Branding werden in vielen Unternehmen bereits gesetzt, um die Versicherungsgesellschaften als hervorragende Arbeitgeber zu präsentieren. Allerdings dürfte diese Vorgehensweise nur begrenzten Erfolg bringen. Für die kommenden Generationen scheint ein Job im Versicherungsverkauf wenig attraktiv. Es wäre daher notwendig, das Image der Branche bzw. das Image des Versicherungsberaters attraktiver zu positionieren.“
Noch schwieriger werde – so Sobotka – die Arbeitsmarktproblematik für jene Versicherungsgesellschaften, die hauptsächlich über Vermittler arbeiten. Denn dort fehle die Möglichkeit Maßnahmen zu setzen, um zu verhindern, dass ein Großteil des Maklervertriebs in den nächsten Jahren wegbrechen wird. Hinsichtlich dieses Vertriebskanals werde es dann zwangsläufig zu einem verstärkten „War-for-Makler“ kommen. Der Arbeitskräftemangel werde aber mittelfristig alle Marktteilnehmer treffen.
Die Überalterung der unabhängigen Vermittler lässt sich auch in Zahlen belegen: Bei der jüngsten Umfrage zum AssCompact Award „Bester Service für Vermittler“ lag das Durchschnittsalter der insgesamt 593 Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer bei mehr als 52 Jahren, der Anteil der Über-50-Jährigen betrug 60,7%. Auf der anderen Seite der Skala fällt auf, dass der Anteil der Unter-40-Jährigen bei nur 16,6% liegt.
AssCompact Studie: 68% machen sich über Betriebsübergabe/-verkauf Sorgen
Kein Wunder, dass das Thema Betriebsnachfolge vielen Kolleginnen und Kollegen unter den Nägeln brennt, wie eine weitere AssCompact Studie, die 2022 in Kooperation mit der EFM entstand, unterstreicht. 68% der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer haben sich schon über Betriebsübergabe/-verkauf Gedanken gemacht, für 69% wird dieses Thema in den nächsten zehn Jahren Realität, für 42% von ihnen schon innerhalb der nächsten fünf Jahre. Nur jede/r dritte Versicherungsmakler/in hat einen potenziellen Nachfolger aus der Familie oder dem Kreis der Mitarbeiter. Für 45% der befragten Maklerinnen und Makler soll die Betriebsübergabe über einen Bestandsverkauf abgewickelt werden, für 13% über eine Übertragung innerhalb einer Maklerkooperation.
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