Seit 2013 dürfen Vermittler von Vorsorgeprodukten in Großbritannien keine Provisionen mehr verlangen, sondern nur noch Honorar für die Beratung. Ein Gewinn ist das nicht für alle: Sehr viele Menschen ohne Vermögen bekommen keine Beratung mehr, zeigt ein aktueller Report. Wer hingegen profitiert, sind wohlhabende Kunden und die Berater, die sich auf das neue Geschäftsmodell eingestellt haben.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 29.03.2016
Millionen von Verbraucher sollten einen besseren Zugang zu einer erschwinglichen Finanzberatung haben, lautet das Resümee des Financial Advice Market Review (FAMR), der das mit einer Finanzreform eingeführte Provisionsverbot in Großbritannien nun überprüft hat. Der Report spricht von einer Beratungslücke und einem dringenden Handlungsbedarf. Im vergangenen Jahr kam die britische Aufsicht noch zu einem anderen Urteil.
Altersvorsorgeberatung erst ab einer Mindestsumme
Eingetreten ist also, wovor unter anderem deutsche Vermittlerverbände gewarnt haben: Menschen ohne Vermögen können sich eine Beratung nicht mehr leisten. Das gilt auch für junge Menschen, denen man zwar eine frühzeitige Altersvorsorge nahelegt, die eine entsprechende Beratung aber nicht bezahlen können. Nach Schätzungen könnten insgesamt rund 35 Millionen Briten davon betroffen sein. Hintergrund ist, dass heute viele Finanzberater erst ab einer Vermögenssumme von 40.000 oder 50.000 Euro für die Altersvorsorge beraten. Und während die Anzahl der Berater insgesamt gesunken ist, steigt die Anzahl der Berater, die erst bei einem Portfolio von 120.000 Euro aktiv werden, deutlich.
Nachhaltiges Geschäftsmodell für Finanzberater
Während sich die Beratungssituation für einen hohen Anteil der Bevölkerung verschlechtert hat, steigen wohlhabende Kunden mit einer besseren Beratung und deutlich mehr Betreuung aus. So berichtete Christian Nuschele, Leiter Maklervertrieb bei Standard Life, bei einem Honorarberater Kongress in Deutschland, dass sich der Kunde dank eines Servicevertrags und einer Gebührenaufstellung samt Dienstleitungsauflistung auf eine intensive Begleitung durch den Financial Advisor verlassen kann. Davon würden auch die Berater profitieren. Standard Life hat in Großbritannien Berater bei der Umstellung auf das neue Geschäftsmodell mit Honorarberatung begleitet. Einzelne Berater kämen heute sogar bereits mit 15 bis 20 Kunden aus, so Nuschele. Und weiter: Auf Basis des Mindestportfolios und des Servicevertrags eröffne sich dem Berater ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Eine Umstellung von heute auf morgen sei dies allerdings nicht. Das zeigen auch Praxisbeispiele aus Deutschland sehr deutlich. Ohne Mischmodelle in der Vergütung – etwa Provisionsberatung plus Servicegebühren – und einen finanziellen Rückhalt durch Bestandseinnahmen schaffen nur wenige Vermittlerbüros den Umstieg auf die Honorarberatung.
Rückkehr zum alten System?
Trotz dieser neuen Erkenntnisse ist nicht davon auszugehen, dass es in Großbritannien zu einer Kehrtwende kommt. Denkbar wäre jedoch, dass für bestimmte Vorsorgeformen eine Provisionsberatung wieder möglich wird. Um die Beratung so kostengünstig wie möglich zu halten und um die Beratung breiten Schichten wieder zugänglich zu machen, empfehlen die jetzigen Überprüfer des Provisionsverbots der Regierung, auch auf die Technik zu setzen. Eine Lösung für die entstandene Beratungslücke könnten demnach automatisierte Beratungsprozesse, der sogenannte Robo-Advice, sein.
Quelle: AssCompact Deutschland, bearbeitet durch Redaktion Österreich
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