Darf ein Rechtsanwalt während eines laufenden Prozesses Kosten bei der Rechtsschutzversicherung seines Mandanten abrechnen? Warum die OGH-Entscheidung für Anwälte wie Kunden nicht gerade erfreulich ausfällt, erläutert Rechtsanwaltsanwärterin Mag. Susanne Aigner.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 24.03.2016
Der Kunde hat eine Rechtsschutzversicherung (nach ARB 2010) abgeschlossen. Demnach könne der Rechtsanwalt frühestens dann seine Leistungen abrechnen, wenn das Verfahren in einer Instanz beendet ist. Der Kläger seinerseits vereinbarte mit seinem Rechtsanwalt, dass dieser jederzeit dazu berechtigt sei, Honorarnoten zu legen und Kostenvorschüsse zu verlangen, so Mag. Susanne Aigner, Rechtsanwaltsanwärterin in der Summereder Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H.
Ist die Versicherung verpflichtet, Honorare vorzeitig zu bezahlen?
Die Rechtsschutzversicherung sah das angesichts der Vertragsbestimmungen anders. Nun forderte der Kunde Zinsen wegen verspätet bezahlter Kostenbeträge sowie die Feststellung, dass die Versicherung verpflichtet ist, die Honorarforderungen seines Rechtsanwalts (entgegen ARB 2010) auch zu erfüllen, bevor ein Verfahren abgeschlossen oder endgültig außergerichtlich bereinigt wurde.
Die Bestimmung im Versicherungsvertrag würde laut dem Kläger die freie Wahl seines Rechtsanwalts „aushöhlen“. Somit verstoße der entsprechende Artikel (Art 6.6.9. ARB 2010) nicht nur gegen das Versicherungsvertragsgesetz (§158k VersVG), sondern sei auch überraschend und gröblich benachteiligend. Der Versicherungsnehmer könnte demnach nur Rechtsanwälte wählen, die keine Zwischenabrechnungen vornehmen oder Vorschüsse verlangen – obwohl das in den Rechtlinien für Rechtsanwälte (§ 52 RL-BA) sogar empfohlen werde.
OGH sieht Wahlfreiheit des Kunden nicht eingeschränkt
Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied letztlich nicht zugunsten des Klägers. Grund: Es konnte nicht festgestellt werden, dass es unter Rechtsanwälten üblich sei, im Abstand von wenigen Monaten ihren Mandanten gesondert zwischenabzurechnen. Daher könne von einer Aushöhlung der Wahlfreiheit beim Rechtsanwalt keine Rede sein.
Ungeachtet der wohl unzweifelhaft richtigen rechtlichen Beurteilung sei die Entscheidung, so Aigner, sowohl für den Versicherten als auch den Rechtsanwalt unbefriedigend. „Entgegen den Ausführungen des OGH ist es bei Rechtsanwälten nämlich durchaus üblich, bereits vor Beginn der Tätigkeit Honorarvorschüsse vorzuschreiben, um die Kosten von oft monatelang andauernden Verfahren zu decken.“
Entscheidung nicht förderlich für Attraktivität der Rechtsschutzversicherung
Neben der einen oder anderen nicht unbedingt dem Rechtsanwalt entgegenkommenden Bestimmung von Rechtsschutzversicherungen trage diese Entscheidung laut Aigner nicht zwingend zur Attraktivität eines rechtschutzversicherten Mandanten bei. „Dem Rechtsschutzinteresse der Versicherungsnehmer und deren gesetzlich verankerter Freiheit bei der Wahl des Rechtsvertreters kann eine solche Entwicklung nur abträglich sein. Denn ebenso wie auch Versicherungsprämien wollen die meisten Rechtsanwälte bei Fälligkeit bezahlt werden…“
Den gesamten Artikel von Mag. Susanne Aigner lesen Sie in der AssCompact April-Ausgabe.
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