In welchem Ausmaß muss ein Versicherungsmakler seine Kunden über aktuelle Judikatur informieren? Diese Frage beschäftigte den Obersten Gerichtshof (OGH), nachdem ein Frauenarzt seinen Makler klagte, wie „Die Presse“ berichtet.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 17.06.2016
Eine schwangere Frau war schon in den ersten Monaten über eine mögliche Behinderung ihres Kindes besorgt und bat ihren Frauenarzt deshalb, alles zu unternehmen, um diese auszuschließen. Der Gynäkologie konnte laut eigenen Angaben bei den Untersuchungen allerdings nichts Auffälliges feststellen und riet der Frau auch nicht zu einer Fruchtwasseruntersuchung.
Aufklärungspflicht verletzt – Arzt muss Schadenersatz leisten
Im August 2007 brachte die Frau ein schwer behindertes Kind zur Welt. Daraufhin klagte sie ihren Frauenarzt auf Ersatz des gesamten bisherigen und künftigen Unterhalts- und Pflegeaufwandes sowie auf alle Vermögensnachteile im Zusammenhang mit der Obsorge und Pflege ihres kranken Kindes. Das Oberlandesgericht Innsbruck folgte einer richtungsweisenden OGH-Entscheidung von 2006 und gab der Klägerin Recht: Demnach stehe der Frau Schadenersatz zu, weil der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt habe.
Der Gynäkologe klagte nun seinen Versicherungsmakler. „Es wäre die Verpflichtung des Beraters gewesen, ihn auf die neue OGH-Judikatur hinzuweisen und mit ihm unter diesem Blickwinkel seinen bestehenden Versicherungsschutz zu diskutieren“, zitiert Die Presse die Argumentation des Arztes. Die Tatsache, dass er dem Urteil zufolge den gesamten Unterhalt für ein behindertes Kind zu leisten hätte, bedeute für ihn nämlich eine massive Risikoerhöhung.
Versicherungsmakler muss über relevante Urteile informieren
Laut dem Makler sei es seinem Berufsstand jedoch nicht zumutbar, laufend alle Gerichtsentscheidungen zu studieren, die das Risiko der Kunden erhöhen könnten, und diese über die möglichen Konsequenzen zu informieren. Der OGH sah das anders: „Von einem auf Ärzte spezialisierten Versicherungsmakler könne sehr wohl erwartet werden, über einschlägige Probleme Bescheid zu wissen und seine Kunden darüber richtig zu informieren“, heißt es im Bericht. Umso mehr im Fall dieser OGH-Entscheidung, die für großes mediales Aufsehen gesorgt habe. Und: Der Makler müsse seinen Kunden nicht nur wichtige Entscheidungen mitteilen, sondern sei auch zu einem Best-Risk-Management verpflichtet und habe daher mit dem Versicherungsnehmer über eine mögliche Erhöhung der Versicherungssumme zu sprechen.
Mitschuld des Arztes?
Hätte der Frauenarzt selbst aktiv nach einem höheren Versicherungsschutz fragen müssen, wenn er von der OGH-Entscheidung wusste? Ja, meint der OGH. Jedoch sei erst in einem fortgesetzten Verfahren zu klären, ab wann der Arzt von der Judikatur wusste. Erst dann kann entschieden werden, ob ihn eine Mitschuld trifft.
Quelle: diepresse.com; bearbeitet von AssCompact Österreich
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