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Europa-Anlagen: Politik, China und Banken sind die großen Unbekannten

Europa-Anlagen: Politik, China und Banken sind die großen Unbekannten

14. März 2017

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5 Min. Lesezeit

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News-Finanzen

Kann Europa 2017 positive Überraschungen für Anleger bringen? Zumindest der Jahresauftakt lief enttäuschend. Wer den Sprung wagen will, müsse drei „bekannte Unbekannte“ berücksichtigen, sagt Witold Bahrke, Senior Macro Strategist bei Nordea Asset Management: die Politik, China und die Banken.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 14.03.2017

Der Optimismus vieler Anleger bleibe bisher nur Theorie, scheine aber durchaus begründet: „Die Unternehmensgewinne werden nach oben korrigiert, das Wachstum hat beinahe wieder den Vorkrisentrend erreicht und liegt praktisch auf US-Niveau, und die meisten Makrodaten sind ungewöhnlich positiv“, sagt Bahrke. Zudem seien die relativen Bewertungen – zumindest bei Aktien – attraktiv.

Populistische Bewegungen als Marktrisiko

Die politische Entwicklung schmälert den Appetit auf europäische Anlagen. Die anstehenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland und möglicherweise auch Italien machen Anleger nervös. Der Brexit verstärke die Spannungen innerhalb der EU und stelle die Überlebensfähigkeit der Währungsunion infrage. „Europäische Aktien sind zwar günstig, aber nicht günstig genug, solange die politische Unsicherheit nicht deutlich zurückgeht.“

Dennoch sieht Bahrke einen möglichen Lichtblick. „Wenn der Vormarsch der populistischen Parteien in Europa gestoppt wird, dürften die Börsen aufatmen und den Marktteilnehmern zumindest kurzfristige Kursgewinne bescheren.“ Die Chancen auf einen Wahlsieg von Marie Le Pen in Frankreich und der antieuropäischen AfD in Deutschland sind nach derzeitigem Stand gering. Auch die Rolle des politischen Establishments könnte den populistischen Bewegungen zum Verhängnis werden, da diese in den Euro-Ländern relativ isoliert agieren.

China und der Kreditboom

China bestimmt die Aussichten Europas mit. Das europäische Exportwachstum konnte in den vergangenen Quartalen wieder sein Trendniveau erreichen. So ist China etwa laut Daten des Statistischen Bundesamtes mittlerweile Deutschlands wichtigster Handelspartner geworden.

Allerdings beruhe der Wachstumsanstieg in China auf „alten Sündern“, also in erster Linie auf einem politisch gewollten Kreditboom, der an dem deutlich schnelleren Geldmengenwachstum abzulesen ist. „Insgesamt wären die politisch Verantwortlichen in China gut beraten, das Kreditwachstum nicht weiter anzukurbeln, um die finanziellen Stabilitätsrisiken in Schach zu halten“, meint der Investment-Experte. Erste Anzeichen hierfür seien bereits erkennbar, das Kredit- und Geldmengenwachstum habe sich in den letzten Monaten verlangsamt. Sollte es China nicht gelingen, den Kreditboom langsam auslaufen zu lassen, könnten Anleger von negativen Effekten überrascht werden.

Banken – Europas Sorgenkinder

Banken sind und bleiben ein Thema. Während kurzfristige Wachstumsindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes aktuell eine florierende Wirtschaft signalisieren, sind die mittelfristigen Kreditindikatoren weniger positiv. Die Kreditnachfrage ist schwach. „Eine stärker aus sich selbst heraus getragene Erholung in Europa braucht nachhaltige Verbesserungen bei der Kreditversorgung“, so Bahrke. Die Kreditnachfrage werde erst dann steigen, wenn die politische Unsicherheit sinkt. „Die strukturellen Probleme des Bankensektors werden vermutlich so lange nicht verschwinden, wie eine ausgewachsene Bankenunion Wunschdenken bleibt.“ Viele „Wackelkandidaten“ der Branche seien weder geschlossen noch von stärkeren Banken übernommen worden.

Wer Unsicherheiten akzeptiert, hat gute Chancen

„Realistisch betrachtet spricht einiges dafür, dass Europa den politischen GAU vermeiden kann“, zeigt sich Bahrke optimistisch, rät aber zu Vorsicht: „Schließlich haben wir aus den Überraschungen des vergangenen Jahres vor allem gelernt, dass die Fähigkeit der Analysten, politische Ereignisse zu antizipieren, zumindest begrenzt ist.“ Auch die Marktreaktionen werden eher selten korrekt vorhergesagt. „Das Ausbleiben negativer politischer Überraschungen im Jahr 2017 ist also eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für eine mittelfristig positive Einschätzung von Risikoanlagen in Europa.“ Erst wenn mindestens einer der beiden anderen Faktoren ebenfalls zugunsten von Europa wirkt, sei mit einer nachhaltigen positiven Entwicklung der europäischen Märkte zu rechnen. „Anlegern, die sowohl die kurzfristige politische und mittelfristige fundamentale Unsicherheit zu akzeptieren bereit sind, bietet Europa attraktive Ertragschancen. Alle anderen dürften gut beraten sein, noch abzuwarten.“

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